Ich hab in letzter Zeit versucht, den Disruptionsfaktor diverser generativer AI Tools im Bereich Bewegtbild fassbarer zu machen, ein Beispiel: „Beim Look Development ist der Disruptionsfaktor 10:1 weil man mit AI LookDev in 2 Stunden statt in 2 Tagen machen kann“. Dabei dämmert es mir jetzt erst, dass „Disruptionsfaktor“ nur ein Fancy Label ist für etwas wirklich Bedrohliches: Dieser Disruptionsfaktor misst eigentlich einen Grad von ENTWERTUNG. Vielleicht sollten wir zukünftig lieber vom „Entwertungsfaktor“ sprechen.
Entwertung von was denn genau? Entwertung von Execution. Von informierter Umsetzung, von Handarbeit, von Pixelschubsen und Organisation. „Viele Menschen machen den Fehler zu glauben, dass mit einer Idee schon 90% der Arbeit getan wäre“. Steve Jobs hat recht: das ist Bullshit. Ein Großteil der kreativen Arbeit ist Execution. Ein Großteil von dem was eine Agentur tut – ein Großteil von dem, was eine Filmproduktion tut, sowieso. Da redet man nur nicht so gerne drüber, weil das irgendwie dem Selbstbild von Kreativen zu widersprechen scheint. Was bleibt, wenn einem die Execution aus der Hand genommen wird? Ideen haben. Und die heiligen, von kreativem Geist beseelten IDEEN! IDEEN! die kann einem natürlich keiner wegnehmen. Kann sein, aber damit ist noch lange nicht alles gut. Wenn uns nämlich jemand die Execution abnimmt, dann nimmt er uns 95% unserer Arbeit weg.
Das ist in vollem Gange: Indem AI für immer mehr Umsetzung von kreativer Arbeit benutzbar ist und benutzt wird, entwertet AI unser „Portfolio“ an angebotenen Leistungen. Messbar in dem Sinne, daß potenzielle Kunden ihnen keinen Wert mehr beimessen wollen: „Das könnt ihr doch mit AI in ein paar Stunden machen“. Und sie werden immer häufiger recht damit haben.
DAS ist die Entwertung, über die wir reden müssen. Niemand nimmt uns unsere Ideen oder unseren taste, unser kreatives Urteilsvermögen. AI nimmt uns die Execution weg, und weil Execution ein Großteil der Arbeit ist, die wir ABRECHNEN, ist das vielleicht viel bedrohlicher. Das seht ihr nur alle nicht, wenn ihr der Execution zu wenig Bedeutung beimeßt. Euer eigener Säulenheiliger Steve Jobs wäre sauer auf euch! Das werdet ihr spätestens dann spüren, wenn euch keiner mehr für Execution bezahlt und ihr im Kreis lauft und euch gegenseitig eure tollen Ideen erzählt, aber keinen mehr findet, der euch dafür eine Rechnung stellen läßt.
Was jetzt?
Man kann einen immer größer werdenden Teil seiner Zeit damit verbringen, allen zu erklären, daß das ein Wahrnehmungsproblem sei: „Guckt mal genauer hin, das AI Zeug ist gar nicht WIRKLICH so gut wie (mein) Handgemachtes“, aber das wird ein immer schwerer zu machender Punkt werden.
Man kann sich auf die immer kleiner werdende IDEEN-Insel retten und glauben, daß das AI nie, nie, wirklich nie schaffen wird: Ideen zu haben. I got bad news for you – schaut mal ins Urheberrecht. Ideen sind nicht schützenswert, meine Lieben. Ideen hat jeder, ständig. Ideen brauchen Execution, Umsetzung, damit sie eine gewisse „Schöpfungshöhe“ erreichen, wie es so schön verquast-altdeutsch heißt, damit sie als Werk schützenswert werden. Will sagen: Ideen ohne Execution sind nichts wert. Ideen hat auch mein 9jähriger jeden Tag schon ein halbes Dutzend. Vor dem Frühstück.
Immer noch skeptisch? Dann fragt doch mal Midjourney, wie wertvoll Eure Ideen sind. Oder fragt besser nicht, da sich all diese AI Tools natürlich mit derselben künstlerfreundlichen Rhetorik schmücken, das haben sie sich bei den Pimps der Musikindustrie, den Plattenfirmen, abgeschaut. „We put creators at the centre of our strategy“ habe ich neulich einen TIKTOK Avatar sagen hören. Ohne Witz. Einen Avatar, der dafür gebaut worden ist, einen menschlichen Influencer zu ersetzen. So viel coporate Kaltschnäuzigkeit & Dummdreistigkeit kann man sich gar nicht ausdenken.
Die Cover Up Story aller generativen Tools ist ja dieselbe: „Du Mensch hast tolle Ideen, die du als Prompt eintippst, und wir kümmern uns um die Execution“. Das ist schlicht gelogen, wie jede/r testen kann, indem sie „Flitzenpiependrängel“ in das Promptfeld von Midjourney tippt. MJ produziert nämlich immer irgendwas, das so aussieht, als wenn eine Idee dahinter gesteckt hätte. Andersrum macht es MJ einem sehr schwer, eine wirklich konkrete Idee konkret umzusetzen. Diese Tools ballern immer eine Execution raus, egal ob du eine Idee einspeist oder „Flitzenpiependrängel“. Die Tools BRAUCHEN keine Ideen für ihre Execution. Die sind sich tendenziell selbst genug. Die haben alle Ideen schon beim Trainiert Werden absorbiert und können sie in einem unendlichen Strom von Execution in unendlichen Variationen wieder ausspucken. Flitzenpiependrängel sieht übrigens so aus:
Und was jetzt? „Ideen“ werden uns nicht retten, wenn uns jemand die Execution aus der Hand nimmt, auch wenn das noch so mafiös nett passiert. Wenn so ein fetter Konzern dir den Arm um die Schultern legt, sanft, aber mit milliardenschwerem Nachdruck, und so kreativkumpelhaft murmelt. „Mach dir keine Sorgen, wir übernehmen das ab jetzt.“ Was sie nicht so laut sagen: Ob du willst oder nicht. Ob dir das gefällt, wie wir das machen, oder nicht. Deine Kunden haben halt gesagt, daß wir das jetzt machen sollen. Unsere Investoren auch. War nett dich kennen gelernt zu haben. Kannst gerne weiterhin tolle Ideen haben und sie gegen nur noch 30 Euro Monatsabo als Prompt in unsere Eingabefelder tippen, aber eigentlich können wir das auch selber. Machen wir ja eh schon die ganze Zeit. Darfst uns noch ein bißchen trainieren und optimieren für die letzten 5%, aber dann hau bitte ab, okay?
Wenn wir uns die Execution wegnehmen lassen, dann sind wir im Eimer. Dann bleibt uns nichts mehr übrig, als wie die 3jährigen vor einer Textbox zu sitzen und unsere „Ideen“ einzutippen: „eine schöne frau am strand bei sonnenuntergang mit GUCCI klamotte. sie hat sommersprossen.“ und aus den tausend Ergebnissen, die die AI ausspuckt, dürfen wir dann drei raussuchen und sie dem Kunden präsentieren. Klingt Scheiße? Ist es auch.
Was also wirklich jetzt?
Wir dürfen uns die Execution nicht aus der Hand nehmen lassen. Wir sind hoffentlich nicht umsonst die Master der Execution Workflows. Wir haben eine über Jahrzehnte aufgebaute Expertise darin, Ideen perfekt umzusetzen. Mehr Expertise jedenfalls, als es braucht, um aus einem Satz mit 8 Wörtern einen Shot zu erzeugen, der einigermassen glaubhaft aussieht. Expertise, die beurteilen kann, wie der Shot zum ganzen Film paßt. Ob der Shot die bestmögliche Art & Weise ist, das zu erzählen, was er an dieser Stelle im Edit erzählen muß. Etc., etc., pp. Ihr wißt wovon ich rede, und das weiß AI noch lange nicht. Wir müssen uns die AI Tools untertan machen und sie in unsere Workflows einbauen dergestalt, dass jeder sehen kann, welchen Mehrwert das erzeugt im Vergleich mit jedem X-beliebigem AI-Schrott, der heute schon durch’s Netz wabert und von absichtslosem Stock Footage kaum zu unterscheiden ist.
Oder?
Ich bin nur hier weil ich mich bissi in den Text verliebt habe. Weil du zwischen den Zeilen das schwer Beschreibbare beschreibst: „Kreativ sein“ ist schon ein Missverständnis an sich. Unsere eigentliche Dienstleistung ist schon ein Missverständnis an sich und bitter ist die Erkenntnis, dass viele unserer Kunden gar nicht dekodieren können, was diese Kunst eigentlich macht. Merken wir manchmal bei der Abnahme, näch. Und da hilft es eben auch nicht, an jenem oder diesem Detail irgendeiner GenAI rumzunörgeln. Genau. Was, wenn – good morning! – viele Entscheider in unserem Segment schlicht nicht verstehen, was diese „Kunst“ ist? Und wir wenig tun, um es zu klären? Was, wenn zuviele Menschen eine Maschine mit eingebauter Gefallsucht und Tendenz zu leicht verstehbaren Mittelmäßigkeiten für eine Lösung halten? Ach naja. Muss auch wieder rüber, Kunde möchte die Geigen im Score gerne nur „paar mächtige Gitarren“ ersetzen.