„Anyone at any agency who understands filmmaking (…) knows that having somebody who can afford to give you an answer you don’t like is a valuable asset.” *
Es wird ja viel zu wenig „Ja, aber…“ oder gar „Nein“ gesagt. Unsere Branche scheint mir geradezu ein strukturelles, ein eingebautes „Toxic Positivity“-Problem zu haben: Hey, wir sind WERBER, wir jonglieren schließlich täglich mit Ansagen wie „Du schaffst das“, „Das ist Dein Tag!“ „Just do it!“ yadda yadda yadda. Kein Wunder daß das so ist…
Dabei sind Widerspruch und Auseinandersetzungen bereits beim Pitch entscheidende, konstruktive Faktoren, und das schon innerhalb der Produktionsfirma.
Ich hatte mal einen Herstellunsgleiter, der mir den Arm um die Schulter legte und murmelte: „Pauly, du weißt ja: Film ist Krieg“. Und das war auch so: DER Film, den wir zusammen gemacht haben, WAR Krieg. Nie wieder Krieg, nie wieder Scripted Reality, habe ich daraus gelernt. Was nicht bedeutet, daß er Recht hat. Hat er nicht.
Aber das Gegenteil funktioniert eben auch nicht: Toxic Positivity bringt dich in dem Business auch nicht weiter als bis zum ersten Jahresabschluß, da bin ich mir sicher.
Was konkret heißt: beim Pitchen liegt idealerweise nicht alles in einer (Producer-) Hand, um zu verhindern, dass der schiere Wille zum Abschluß jedes Mal gewinnt – oder eben der schiere Unwille und die Besserwisserei von unwilligen oder überforderten Producern, die noch jeden Job zu teuer kalkulieren, einfach weil sie können und weil sie die Macht der Zahlen auf ihrer Seite wähnen („Ja natürlich muß man dafür einen eigenen Drehtag ansetzen, sonst wird’s halt Scheiße“).
Ein gutes Angebot ist vielmehr das Ergebnis konstruktiver Auseinandersetzungen zwischen zwei notwendigerweise antagonistischen Herangehensweisen:
- „Das schaffen wir schon für das Budget, das muß doch irgendwie gehen, let’s design it to budget“
- „Das sollten wir solide durchgerechnet haben bevor wir uns da die Finger verbrennen, sonst lassen wir es lieber – besser jetzt sagen „LEIDER LEIDER LEIDER“ als Mist abliefern weil das Budget für einen guten Film nicht reicht, oder gar draufzahlen.
Diese beiden Herangehensweisen manifestieren sich gern in einer Produktion in den Positionen von Creative/Sales (1.) versus Bidding Producer (2., natürlich). Und sie treffen sich beide in der Person der/s Executive Producers, der/die natürlich immer gern einen neuen Job an Land zieht, aber eben auch so unsexy Vokabeln wie DECKUNGSBEITRAG nicht ignorieren kann.
Insgesamt ist das ein begrüßenswertes Setup: Es bewahrt dich als Producer davor, diese Fights mit dir selbst austragen zu müssen und darüber schizophren zu werden – oder aber gefährlicherweise regelmäßig die eine oder die andere Seite überzubetonen. Will heißen: Immer zu billig anzubieten weil du verkaufen willst, und deshalb schlechte weil unterbudgetierte Filme abzuliefern oder pleite zu gehn; oder eben nie einen Pitch zu gewinnen weil du immer übergenau und damit zu teuer kalkulierst.
Es bewahrt dich außerdem davor, senil zu werden und immer dieselbe Schallplatte abzuspielen: „Ja klar kann man die Darstellerbuyouts auf 500 Euro runtersetzen und mal gucken, wer so reinkommt beim Casting. Aber die Chance ist leider sehr hoch, daß da nur die Unfähigen und Unansehnlichen aufschlagen“, z.B. habe ich schon ein paarmal gesagt / geschrieben / gebrüllt. Stimmt, aber eben auch nicht immer.
Und zugleich hilft es der Sales-Seite, das Projekt zu überleben, wenn es denn kommt, und vielleicht sogar noch etwas Spielraum für kreative Entscheidungen zu haben, weil du im Sinne aller ein belastbares Budget gerechnet hast.
Also: Notorisches Sicherheitsdenken ist keine Tugend. Toxic Positivity aber auch nicht. Keine der beiden Herangehensweisen ist per se richtig oder falsch. Sie müssen in jedem Pitch auf’s Neue zwischen allen Beteiligten ausgehandelt und nach Umsetzung auch rückblickend evaluiert werden, nur dann wird ein Schuh draus. Bzw. ein Film, idealerweise ein toller. Und eine erfreuliche Jahresbilanz.
*(What do production companies do? The Beak Street Bugle 2016)