Hier mal eine unvollständige Random Liste von Brand Ambassadors, von Protagonisten, die mir in diversen Vignettenfilm-Scripten der letzten Zeit so begegnet sind:
Apnoe Taucher (Weltmeisterin)
Wildlife Photographer
Sternenfotograf
Surfer
Skateboarder, natürlich
Designer
Malerin
DJ
Tänzerin
Und alle so: Versunken in ihrer Tätigkeit, ganz bei sich. Grenzüberschreiter, Visionäre, und irgendwie auch alle Künstler, weil sie ihr Tun transzendieren und es zu einer KUNST machen. Kompromisslos. Genie-artig. Allein. Was diese Künstler ganz sicher nicht & niemals tun: Auftragsarbeit. Sie machen das aus sich heraus, für sich.
Jetzt frage ich mich: Spricht das wirklich, wie immer versprochen, alle Konsumenten da draußen an, oder geht’s da vielleicht zumindest auch um etwas oder um jemanden ganz anderes? Naaa, klingelts? Ich sage: Das alles sind in Wahrheit unerreichbare Idealbilder aller Werber(film)dienstleister: „Keine Briefings. Keine Meetings. Keine Kompromisse“, um mal den JeverMann zu zitieren. Stattdessen freier Künstler, DER KEINE WERBUNG MACHEN MUSS.
Was, wenn wir nur einmal den Gedanken zuließen dass sich hier die Portraitisten ihr ideales Wunsch-Selbstbild zusammenprotraitieren? Dann wären diese Filme auf einer Meta-Ebene so etwas wie ein konstanter Hilferuf der geknechteten Kreativen, und eine Art des „Stick it to the man“: Wenn wir in unserem Arbeistalltag schon immer geschunden werden und Dienstleistern müssen, daß die Schwarte kracht, dann legen wir Euch zumindest bei den Inhalten mal ein zwei Kuckukseier in euren Film, damit ihr mal seht wie das so ist wenn man FREI ist.“
Akzeptieren wir mal einen Moment diese hysterische Hypothese, und rufen: Liebe Kunden, hört mal genau hin was Eure Kommunikationsprofis Euch auf der Metaebene mit diesen ewiggleichen Archetypen kommunizieren wollen: ICH WILL AUCH MAL TOTAL KOMPROMISSLOS MEINER BERUFUNG FOLGEN. I DID NOT SIGN UP FOR THIS SHIT! ICH BRAUCHE EUER FEEBACK NICHT. ICH WILL ALLEIN SEIN! oder noch besser auf englisch: LEAVE ME ALONE!
Steile These, sagt Ihr? „Maybe, Baby“, sag ich.
Wo im Spektrum „kreative Freiheit“ würden Sie die folgenden 5 Begriffe auf einer Achse von VOLL VIEL bis NICHT SO RICHTIG VIEL einordnen:
Michelangelo – Fahrer – Caterer – Producer – Agenturkreative
A propos Michelangelo: Der hat die Sixtinische Kapelle unabgesprochen nicht – wie eigentlich vom Kunden Julius II. gewünscht – in tempera gemalt, sondern als fresco, weil er dadurch von seinem Honorar nur rd. 1% für die Farben ausgeben musste. Tempera hätte Gold und Ultramarin erfordert – da wär deutlich mehr Geld für Material draufgegangen, das hätte das MarkUp gedrückt. Kreativbegründung Michelangelo: „Die Heiligen waren arm und haben Gold verachtet. Machen wir nicht“.
Der Kunde wollte eigentlich per finiture die Gold- und Ultramarinelemente nachträglich gegen Michelangelos Willen ergänzen lassen, hat dann aber davon abgesehen. Nicht weil er das Ergebnis kreativ so überzeugend fand wie wir heute, sondern weil Michelangelo die Gerüste schon wieder hatte abbauen lassen – neue Gerüste waren dem Kunden dann doch zu teuer. Und er fand’s bis zum Schluß mies. Kunde bei der Online-Abnahme: „Sieht ärmlich aus“.*
Aber warum immer über andere (Agenturkreative, Renaissancekünstler) reden. Wie haben wir’s denn so als Producer mit dem Selbstbild und dem Dienstleistertum? Im nächsten Post beschäftigen wir uns mal mit einem Gerichtsverfahren, das eine Freelance Werbefilm Producerin geführt hat, um klären zu lassen: „Bin ich eigentlich kreativ?“ Wetten auf den Ausgang werden noch angenommen – Stay tuned!
*Kann ich immer noch drüber lachen: Warum Michelangelo nicht den Auftrag für DAS LETZTE ABENDMAHL bekommen hat. Michael Palin & John Cleese live auf der Bühne.