More Risk, Less Fun

Wir gratulieren uns ja seit ein paar Jahren ständig selbst dazu, daß seit der Einführung des Kalkulationsstandards SCoPE nicht mehr über MarkUp gesprochen werde. Mach ich jetzt trotzdem mal. Hat ja auch die Kunden keineswegs davon abgehalten, uns weiterhin MarkUp-Sätze vorzugeben. Vielleicht ist das damals ja auch deshalb vergleichsweise easy bei den Kunden durchgeflutscht, weil sie sich gedacht haben: „Solange diese aufmüpfigen Werbefilmer sich an unsere komplett aus dem Ohr gezogenen MarkUp Vorgaben halten, soll es mir doch schnuppe sein, ob sie das ausweisen oder nicht!“

Ihr habt bestimmt schon viele MarkUp Definitionen gehört, aber hier kommt Producer Pauly seine Spezialdefinition: Das MarkUp einer Werbefilmproduktion setzt sich zusammen aus zwei Teilen, dem Gewinn- und Handlungskostenaufschlag, wie ihn auch eine Serviceproduktion berechnet, und einem weiteren Aufschlag, der als Risikoprämie fungiert dafür, dass wir Werbefilmproduziererinnen und -produzierer eine Preisgarantie abgeben. Das habt ihr anders gelernt? Ich kann alles erklären!

Wie geht die weltweit seit Jahrzehnten anerkannte Preisgestaltung einer ServiceProduktion? Ganz einfach: 10% ist der Preisaufschlag, den jeder Kunde schulterzuckend als die ganz normale MarkUp Fee akzeptiert, die man einer Service Produktion für ein CostPlus Projekt bezahlt. „Cost Plus“ ist ja nur eine andere Formulierung dafür, dass die Service Produktion eben keine Preisgarantie abgibt. Sie schlägt stattdessen 10% auf die tatsächlich angefallenen Kosten auf.

Auch wenn beide nahezu dieselben Kalkulationsformulare benutzen, auch wenn wir beide irgendwie von unserem MarkUp leben, unterscheidet sich unser Geschäftsmodell vor allem wegen der genannten Preisgarantie. Aber kalkulieren wir jetzt ein Line Item mit der Bezeichnung „Preisgarantieübernahmerisikoprämienaufschlag“? Nee, tun wir natürlich nicht. Der Unterschied unserer Geschäftsmodelle verbirgt sich schlicht in unserem höheren Markup.

Wie hoch muß aber der Unterschied zwischen diesen beiden Markup-Sorten sein, damit er diese  Preisgarantie belastbar abbildet? Die historische Voreinstellung in unseren Kalkulationen von 26,5 % habe ich schon sehr lange in freier Wildbahn nicht mehr gesehen. Die wahre Antwort geben Werbefilmproduktionen stattdessen jeden Tag, indem sie Angebote abgeben: deren Markup liegt sachichjetzteinfachmalsoausderLuftgegriffen irgendwo zwischen 20% und immer häufiger 15%. Frei aus der Luft gegriffene Zahlen natürlich!

So, jetzt haben wir alle Fakten zusammen: Die Prämie für die Preisübernahmegarantie liegt beim Abstand zwischen 10% Service-MarkUp und einem durchschnittlichen Werbefilmproduktions-MarkUp, vermutlich aktuell irgendwo zwischen fünf und zehn Prozent. Ist das viel? Wenig? Die meisten Werbefilmproduktionen leben ja noch, aber ich verrate sicher kein Geheimnis wenn ich sage: das ist verdammt haarscharf kalkuliert und puffert wahrlich keine großen Risiken ab, auch wenn es das eigentlich müsste.

Was bringt diese Betrachtunsgweise, diese Producer Pauly Formel vom Werbefilm-Markup = CostPlus Markup + Preisgarantie-Risikopämie? Wenn man das mal einen Moment lang so betrachtet, dann kann man auf die Entwicklung der letzten Jahre blicken – Spoiler alert: Tendenz sinkend – und konstatieren: Wenn das Werbefilm-Markup zu sehr sich den 10% des CostPlus Modells nähert, wenn also die Prämie dafür, dass wir in diesem hochvolatilen und komplett auf Kunden-Pleasing ausgerichteten Von-Der-Hand-In-Den-Mund-Business auch noch die Garantie für die Einhaltung eines abgegebenen Preises übernehmen, gegen Null sich bewegt, dann ist sie schlicht zu niedrig und damit, hier mal in Großbuchstaben, GEHT DAS AN DIE WURZEL UNSERES GESCHÄFTSMODELLS.

„Producer Pauly übertreibt“, höre ich manchen murmeln, „Preisgarantie, das ist doch nur ein Vertragsdetail, ist denn das wirklich so wichtig?“ Ich könnte da jetzt mit unserer täglichen Praxis argumentieren, schlage aber stattdessen ein gewagtes Experiment vor: fragt doch mal Eure Kunden, ob sie zum CostPlus Modell produzieren wollen, wenn sie das nächste mal mit MarkUp Vorgaben von sagichjetzteinfachmalbeispielweise 13% versuchen, die Prämie für die Preisgarantie gegen Null zu drücken. Aber setzt Euch vorher einen Integralhelm auf und zieht eine Kevlarweste an, denn die Reaktionen werden entsprechend sein. Das machen die nie. Kategorisch nicht. Never. Ever. Und warum? Nicht, weil das im Vertragsrecht so geregelt ist. Sondern weil sie genau wissen, wie wichtig es ist, die Verantwortung für das fertige Werk weder selbst in Händen zu halten, noch sie der Werbeagentur zu überlassen, sondern sie vielmehr uns Werbefilmproduzierenden umzuhängen. Dieses Wissen müsste man ihnen nur regelmäßig und immer wieder in den Arbeitsspeicher laden, indem man darauf verweist, dass es für 10% MarkUp und alles was sich dem nähert eben nur CostPlus gibt, geben KANN. Nicht weil wir den Hals nicht voll bekommen können, sondern weil die Übernahme dieses Risikos eben angemessen bepreist sein muß, damit sie aus Business Sicht verantwortbar ist.

Zwar höre ich noch meinen alten Producer-Yoda Glenn B. stolz sagen: „Wir sind Filmhersteller, keine Filmteile-Hersteller“. Aber im ernst: wenn das in absehbarer Zukunft keiner mehr angemessen bezahlt, dann sollten wir vielleicht alle kollektiv darüber nachdenken, ob wir nicht lieber auf diesen Stolz verzichten und zukünftig zum CostPlus Modell der Serviceproduktionen, der Filmteile-Hersteller, antreten.

9 Kommentare zu „More Risk, Less Fun

  1. Ach Stephan, was soll ich sagen. Ich liebe Dich und Deinen Blog über alles. Du hast eine so wahnsinng tolle und charmante Schreibe. Deine liebevollen Spitzen zu der (Werbe)Filmwahrheit haben aus meiner Sicht eine Trefferquote von 100%. Mit Deinem aktueller Bolgeintrag „More Risk, Less Fun“ triffst Du den Nagel mal wieder volle Kanne auf den Kopf.

    „Producer Pauly übertreibt“? Nein, „Producer Pauly spricht Wahres!“ Und wir wissen auch alle, dass keiner unserer Kunden (KEINER) diese Wahrheit hören möchte und schon gar nicht erleben möchte. Meine Fantasie geht schon im gesteckten Galopp mit mir auf Reisen…

    „Ein Fall-Back-Kind für diese Szene. Aber klar macht das Sinn. Magst Du ganz kurz hier unterschreiben. Das sind dann 650 + 20%AP + Begleitperson + Kindergenehmigung + Reise + Hotel und 10% Service Fee. Das CAtering für Mutter und Kind berechnen wir übrigens nicht und die Klamotte haben glücklicherweise schon zweimal vor Ort. Kommen auch keine Zusatzkosten für auf den Zettel. Ach so, und das Fall-Back Kind darf auch nicht acht Stunden am Set und vor der Kamera sein. Warum ich mich immer so quer stelle. Hmmm, ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein, ich bin rechtlich als Produzent für die Einhaltung der Gesetze verantwortlich und hafte für Dich, lieber Kunde, vollumfänglich, wenn die Gesetze nicht eingehalten wurdem. Kein akzeptablkes Argument? Ne, klar! Mein Fehler und wird schon!

    Hey Pauly, I am in in dem neuen Ansatz wir arbeiten auf CostPlus. Nicht für immer, aber um Deinen Blogeintrag zu unterstreichen.

    Dir ein schönes Wochenende und bitte, bitte höre nicht auf Deinen Blog zu pflegen. „Den Blog als Buch“ möchte ich inkl. persönlicher Widmung für mich als Exemplar 002 reserviert wissen.

    Lieben Gruß

    The Brock

  2. Autsch. Richtig. Tut weh aber musste gesagt werden. Eigentlich müsste man eher daran arbeiten, die „Preisgarantie“ wieder mehr in die Richtung der traditionellen 16,5% zu treiben … wenn sich alle einig wären.

  3. Ich wäre schon glücklich wenn mehr Produzierende, insbesondere Agenturen, überhaupt einen Standard und Namen hätten nach dem sie sich die Produktion schönrechnen und von Konzept bis Post so ein diffuser Nebel der Angst über dem Projekt wabert. Costplus, Markup, Risikorücklage – erlebe ich nicht als selbstverständlich bedachte Dimensionen. Zumindest seltener als den Ansatz, dass Pizza für alle doch geiles Vatering sei und Glaspfandflaschen super Getränkeangebote.

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