Mein Schulfreund Uwe, den wir alle Hauer nannten, weil er A) vom Bauernhof kam, und B) ordentlich zuhauen konnte, hat nach der zehnten Klasse eine Lehre ausgerechnet als Konditor angefangen. „Mensch Hauer“, hab ich gesagt, „Konditor – was machste denn da den ganzen Tag?“ So leicht war Hauer nicht in Verlegenheit zu bringen: „Aufgabe des Konditors ist es, Luft und Wasser schnittfest zu machen“. Das hatten sie ihm schon an Tag eins seiner Ausbildung beigebracht.
GE-NI-AL! Kurz, knackig und real deep, so mit allen drei elementaren Aggregatzuständen und so – in Wahrheit wünsche ich mir immer noch, daß mir einer eine vergleichbar griffige Formel für die Frage anbieten kann, was denn ein Producer, ja gar eine Produktion macht. Und solange mir das keiner liefert, übernehme ich einfach die Konditordefinition – danke Hauer!
Also: Die Aufgabe der Producer ist es, Luft (Look & Feel, Regieideen, Humor) und Flüssiges (Moving Targets und Variablen wie Crewgagen, Art Department, Locations, Post Production Aufwand) zu einem Festpreis anzubieten und umzusetzen. TA-DAAAH! Ich hab noch keine bessere Definition gehört bisher, wenn Ihr eine habt, bitte gerne in die Kommentarzeilen.
Als Producer sind wir die Alchemisten, die die Übergänge zwischen den Aggregatzuständen meistern, denn Am Ende Des Tages (5 Euro ins Phrasenschwein!) müssen wir einen Preis anbieten und den auch halten und mit ihm auskommen. Auf dem Weg dahin versuchen wir den Eindruck zu vermitteln, wir würden feste, belastbare, knallharte Fakten versammeln, wir würden eine Festung aus Granitblöcken aufschichten die Jahrtausende überdauert.
All das bierernste Excelgeschiebe (14 Seiten) und SCOPE Anschreiben Erstellen mit tonnenweise Faktensammlungen und hunderten Grundannahmen, Wenn/Danns, Inklusive/Exklusive etc…(nochmal 26 Seiten) – eine Menge Budenzauber, weil es auf teils seeehr flüssigen, manchmal gar heißluftigen Grundlagen beruht, die wir in unserem Angebot immer brav aufführen: 260-seitige Agenturscripte (neuer Rekord übrigens, liebe Agenturnachbarn aus Mitte, chapeau!), 50seitige Regieinterpretationen, Agenturcalls etc…
Und trotzdem kleben wir per Angebot oben drauf ein einziges Preisschild, und das ist so fest, dass es sogar einen entsprechenden Namen dafür gibt, den FESTPREIS. Und der muß halten, egal wie sehr all das, was darin versammelt und abgebildet ist einem durch die Hände gleitet und glitscht, sich in Luft auflöst, sich verflüchtigt, ändert, verwandelt, angepasst werden muss etc. Der Festpreis heißt Festpreis weil er FEST bleibt.
Ich sage nicht, daß es besser wäre Festungen zu errichten – wir wollen ja tief in unseren Producerherzen lieber möglichst flexible Rahmenbedingungen schaffen, um allen Beteiligten die Ausübung ihrer Kunst zu ermöglichen, die notwendigerweise mobil, formbar, variabel bleiben müssen; aber erklär das mal einem Kunden – um diese Rahmenbedingungen zu bekommen, MÜSSEN wir so tun als ob wir grundsolide, unverrückbare Steine zum Festpreis schichten.
Das macht die Diskussionen mit Cost Controllern im Vorfeld immer so lustig: „Pauly, im Art Department seid ihr deutlich teurer als die anderen, da müßt ihr runterkommen“. Da hilft nur eine Festungsbauer-Replik: „Ich hab das vom Production Designer auf Basis des Agenturskripts und der DI kalkulieren lassen; soundsoviel für Material, soundsoviel für Manpower, soundsoviel für Prep, soundsoviel für den Dreh selbst. Wenn wir da runtergehen, kann ich die in Aussicht gestellte Leistung nicht garantieren.“ Meine Antwort könnte auch viel flüssiger sein: „Well, was weiß denn ich? Kann sein, daß die dumpenden Mitbewerber recht haben. Kann aber auch sein, daß es am Ende das Doppelte kostet. Ich hätte Agentur und uns gern einen möglichst flexiblen Rahmen gespannt in dem man sich bewegen kann und Luft für kreative Bewegungen hat, dafür ist das prima kalkuliert, trust me.“ Ich rate eher ab: Die bessere Strategie ist meistens, zu belegen, wie sorgfältig es der große Alchemist geschafft hat, Luft & Wasser in Schnittfestes zu verwandeln.
Die einzigen, die das Konzept des Festpreises nicht verstehen wollen, sind die Service-Produktionen. Naja, eigentlich will das NIEMAND verstehen, dessen Leistung wir einkaufen – „ja sorry, warn halt jetzt drei Tage mehr als ursprünglich besprochen, kostet halt 3.000 Euro mehr“ – aber bei den Serviceproduktionen ist das strukturell verankert und im Ernstfall tatsächlich auch ein massives Butgetrisiko. Warum?
Serviceproduktionen arbeiten nicht wie wir auf Basis eines Festpreises, sondern auf Basis von „Cost Plus“. Sie rechnen nach Aufwand ab, und weil sie deswegen ein deutlich geringeres Risiko tragen, bekommen sie auch ein geringeres MarkUp, in der Regel 10%, auf ihre Drittkosten. Wenn wir also eine Serviceproduktion mit der Umsetzung beauftragen, sind wir eingeklemmt zwischen dem Festpreis, den wir garantieren müssen, und der potenziellen COST PLUS Drohung auf Service-Seite.
Natürlich sind auch alle Leistungen, die ich im Inland einkaufen würde für die Umsetzung potenziell „Cost Plus“ – wenn ich auf einmal doch einen Technocrane brauche, muss ich ihn halt aus meinem „Fixed Budget“ bezahlen. Der entscheidende Unterscheid ist, dass ich das im Inland sehr viel besser selber in der Hand habe und abschätzen kann, weil mein Mind Set dabei von vornherein das eines Festungsbauers ist: ich kalkuliere nur das, was ich auch als Festpreis garantieren kann. Das ist bei einer Serviceproduktion anders. Deren Mind Set ist auf „flüssig“ eingestellt, weshalb es meist wenig Sinn macht im Vorfeld einen Preis mit denen zu verhandeln oder sie im Preis zu drücken. Der Preis ist flüssig und deshalb im Vorfeld easy nach unten zu drücken – aber keiner garantiert mir, dass er da auch bleibt. Natürlich kann man ihnen durchgeben was man glaubt, ausgeben zu können; und eine gute Serviceproduktion wird auch nicht fahrlässig „Ja, geht schon…“ sagen, um dann im Nachhinein das doppelte zu berechnen.
Aber fest steht das nicht.