Für mich ist Produzieren ja immer so weit wie möglich Personal Business. Sonst hätte ich auch zur Volks- und Raiffeisenbank gehen können im C&A Anzug und Exceltabellen schubsen den lieben langen Tag. Hmmm, Moment, Excel mache ich hier auch ganz schön viel… Und nichts Grundsätzliches gegen C&A Anzüge, habe selbst mal einen getragen als ich meinen Ersten Echten Job bei einer Produktionsfirma angetreten hab: Ich hab gedacht „Alter, jetzt bist du im Management, du MUSST einen Anzug tragen.“ Nur um dann am Empfang von der Praktikantin (Iro und Dock Martens etc.) verachtet zu werden. Looking at you, J.! Ich weiß noch 25 Jahre später daß du das warst – Personal Business halt! Ich kann zu meiner Verteidigung noch vorbringen, daß der Mann, der mich eingestellt hat, auch ständig so komische Sakkos anhatte. Ich hab dann schnell eingesehen, daß das mit den Sakkos nirgendwo hin führt, aber hier soll’s ja gar nicht um Sakkos gehen, sondern:
Ich illustriere mal, was ich mit Personal Business meine. Stellt Euch vor, ihr habt eine tolle Erfahrung mit einer Post Production gemacht. Und auf dem nächsten Job brennt es mal wieder, seeehr post lastig, seeehr schwer jemanden zu finden, dem man das überhaupt anvertrauen kann. Ganz klar was ich dann mache: Ich rufe schnell bei (nennen wir sie) der Post Producerin Caren an, weil das beim letzten Mal so gut geklappt hat. Allein, daß ich nicht denke: Lass mal schnell „Posthaus XYZ“ anfragen, sondern „Lass mal schnell Caren anfragen“ sagt uns: It’s Personal. Caren sagt auch gleich: „Na klar, lass uns das folgendermaßen angehen, a,b,c, ich kalkulier dir schnell was.“ Und dann wird Caren krank und übergibt das einer Kollegin. And then it all goes downhill.
Erste email von der Vertretung: „Haben wir uns angeschaut. Kannst du uns noch mehr Info geben dazu, was ihr in camera löst und was nicht pro Szene?“
Okay, fair enough, denke ich. Meine Antwort: „Wie mit Caren besprochen ist das alles noch nicht definiert; wir müssen uns gemeinsam trauen das einzuschätzen und dann versuchen in diesem gemeinsam gesetzten Rahmen zu bleiben. Geht das?“ Will sagen: Ich erwarte von DIR, dass DU dir da eine Einschätzung zutraust, und nicht daß ich alle deine Fragen beantworte und am Ende von ganz allein eine Zahl herauskommt. Daß du persönlich einschätzt, was wir brauchen und ob & wie ihr das delivern könnt. Das ist der personal touch, den ich brauche, um weiterzukommen. Sonst kann ich den Job ja gleich selber mitmachen.
Zweite email: „Kein Problem, wir inkludieren unsere Grundannahmen in das Budget als Ausgangspunkt für eine Diskussion“
Okay, geht doch. So weit war ich mit Caren schon vor meinem ersten Anruf, aber gut. Jeder muß sich ja erstmal eingrooven.
Dritte email von einer weiteren Kollegin, die aus den CC-Tiefen des email-Verkehrs auftaucht: „Gibt es noch eine jüngere Version der DI? Wir brauchen auch noch clarification in Sachen was wird vom Art Department gebaut und passiert in camera, und was ist CGI?“
Das ist der Moment, an dem ich aussteige. Natürlich weiß ich, das auch Caren nur das Frontend einer insgesamt tatsächlich gigantischen Maschinerie ist in mehreren Städten, das bin ich ja auch oft. Keine One Woman Show, die das alles persönlich delivert, was wir besprechen. Das ist mir aber egal. Sobald ich nämlich wittere, dass sich eine Post Producerin nur hinter ihren general procedures verbarrikadiert, damit auch ja keiner einen Fehler macht, habe ich schon keine Lust mehr. Das wird dann so weiter gehen, das ganze Projekt über. Und meist wird dann auch noch so viel Safety Buffer einkalkuliert, daß es sowieso unbezahlbar wird.
Daß man jemand wie Caren findet, auf Post Production Seite, aber auch auf Produktionsseite, ist ja selten. Aber warum? Weil Personal Business für alle Producer immer ein Drahtseilakt ist, den sie nie selbst zu 100% kontrollieren können. Schaun wir uns mal die schlechteste aller outcomes dieses Drahtseilaktes an. Ich habe schon Producer brutal scheitern sehen, weil in ihrer Person und ihrer Performance zu oft Coporate Culture / Corporate Vorgaben kollidiert sind mit ihrem Anspruch, daraus etwas Persönliches zu machen, etwas, worauf alle Bock haben, wo etwas Tolles herauskommt, wo keiner verarscht oder verfeuert wird. Wer kennt nicht jemanden aus der Produktion, der immer gut gelaunte Performance hingelegt hat bis man auf einmal hört „Ja, hmm, ist jetzt leider erstmal raus, burnout und so“.
Mein Verdacht: die konnten in ihrem täglichen Handeln nicht zur Deckung bringen was sie gern delivert hätten und was die Company, für die sie gearbeitet haben, delivert hat oder ihr/ihm erlaubt hat zu delivern – oder sie gezwungen hat einzufordern. Ich glaube auch, in dieser Branche werden zu viele Leute einfach laufen gelassen, die nicht gut genug auf sich selbst aufpassen (können); man nimmt die Vorteile von deren persönlicher Performance gern in Kauf und setzt ihnen zugleich oft Business Realitäten hin, die sie auf Dauer nicht bedienen können. Wenn dir das als Producer ständig passiert bist du einfach irgendwann durch. Das kann daran liegen, daß du es selbst zu schlecht einschätzen & managen kannst; aber auch daran, daß es in bestimmten Arbeitsumgebungen einfach grundsätzlich zu schlecht einschätzbar ist. Und ich rede nicht von den täglichen Fallstricken des Projektgeschäfts.
Will sagen, du mußt dir wirklich genau die Corporate Culture angucken in die du dich da reinwirfst schon auf Seiten der Company, für die du antrittst: stehen die für das ein, was du tust und versprichst und moderierst, oder machen sie ganz schnell einen Schritt zurück und verstecken sich hinter irgendwelchen corporate Vorgaben wenn’s mal ernst wird? Kommunizieren sie klar und deutlich, was sie erwarten, was du versprechen darfst und kannst, und wie verläßlich sie selbst delivern, was sie dich versprechen lassen?
Und du mußt ein wenig haushalten mit deinem Anspruch, Personal Business zu machen, weil es eben nie nur personal sein kann, sonst trägt es dich als Person irgendwann aus der Kurve.
Natürlich ist es auch immer eine Frage der Perspektive: wenn ich selbst von jemandem Leistung abfrage – einer Post Production, einer Servcie Production Company – hab ich’s gern so personal wie möglich, dann will ich Verbindlichkeit herstellen nicht nur durch irgendwelche Verträge, Unterschriften etc., sondern dadurch, daß mir jemand verbindlich das Gefühl vermittelt, daß ich von ihm das bekomme, was ich erwarte.
Wenn ich dagegen selbst Leistung erbringen soll – gegenüber einer Agentur, einem Kunden – dann kenne ich auch die Tendenz, sich hinter der Company und hinter „business as usual“ Procedures zu verstecken, weil das ja auch viel Druck wegnehmen kann von dir selbst: „Ich würd’s dir ja gern genau so anbieten, aber WE DON’T DO THAT HERE“. Aber das fühlt sich meistens falsch an.
Man könnte vielleicht sagen, die große Kunst der Producer ist es, daß sich das Business „personal“ anfühlt und dabei trotzdem soliden Business Standards genügt. Und das eben nicht nur bei der Vakoofe – da kann jede/r geschmeidig und heiter sein, sondern das muß belastbar sein & bleiben das ganze Projekt über bis zum fertigen Master.