Klaro, alle arbeiten grade dran, AI in ihre Workflows zu integrieren (oder sie bereiten sich stattdessen auf eine hoffentlich komfortable Frührente vor, auch ein legitimes Ziel, aber dazwischen gibt es nicht so viele Optionen). Der simpelste Ansatz dabei ist ja, einfach überall da AI zu benutzen, wo sie schon gut genug ist, das zu ersetzen, was wir sonst so tun. Das ist quasi ein Reflex in einer Werbefilmproduktion: „Ah, da gibts was Neues, das geht besser, günstiger, einfacher, dann machen wir das jetzt so“ – wie in Boogie Nights, als Porno eben auf einmal auf Video gedreht wurde, und olle Burt Reynolds seufzend & schulterzuckend auf VHS umstellt, ist halt so.
Dass das aber mehr sein wird als der Umstieg von analog auf digital habe ich schon x-fach betont. Hier kommt eine sehr luzide Warnung von Regisseur Jonathan Vardi, die wir alle im Auge behalten sollten: „Wenn wir am alten System von Briefings, Decks, Storyboards und endlosen Freigaben festhalten und das lediglich mit KI-Unterstützung tun, steuern wir geradewegs auf die seelenloseste und mechanischste Version unseres Handwerks zu.“
Wenn ihr schonmal einmal eine Full-CG-Produktion gefahren habt, kennt ihr die Blaupause für das, was uns bevorstehen könnte. Say Goodbye zu dem Spaß und den Möglichkeitsräumen, die ein Live-Dreh eröffnet. Und ich spreche nicht nur von dem zynischen Approach „War zwar ein langweiliges Script, aber dafür haben wir in Brasilien gedreht“. Ich spreche davon, mit vielen multitalentierten Menschen gemeinsam etwas zu entwickeln und zu optimieren und dabei auch dem Zufall Raum zu geben, Momente zu erwischen, die man selbst nie so hätte kreieren können – ihr wisst, wovon ich spreche.
Wenn all das durch KI ersetzt wird, was gewinnen wir stattdessen? Der shitty part einer zukünftigen AI-gestützten Filmproduktion wird nicht der AI part werden, sondern das, was aus der alten Welt übrigbleibt, und der auf einmal DAS KOMPLETTE PROJEKT VERSCHLUCKEN WIRD: starre Briefings, Pixelschubserei, endlose Feedbackschleifen.
Wir müssen es beim Namen nennen: es geht um die Dynamik von Gestaltungsfreiheit und Macht, die hier ganz neu verhandelt werden wird. Aktuell sieht es doch so aus: Kunde und Agentur kommen mit einem Skript und dem Budget zu uns – die Macht liegt zu 100 % auf ihrer Seite (ja, denkt meinetwegen gerne auch an STAR WARS, wenn ihr „DIE MACHT“ lest). Kluge Agenturen bauen hier bereits genügend Interpretationsspielräume in ihre Skripte ein. Andere hingegen haben schon alles an Kunden, Tester und Marketingmechanismen delegiert – deren Skripte könnte man tatsächlich direkt in die KI werfen und fertigstellen lassen, da ohnehin schon alles bis ins kleinste Detail vorgegeben ist.
Doch sobald der Auftrag vergeben ist, verschiebt sich das Gefüge („Ich fühle eine Erschütterung der Macht“): Natürlich hat die Agentur das letzte kreative Wort und alles muss im Rahmen des Budgets bleiben. Aber ab diesem Zeitpunkt liegt die MACHT, die Entscheidungsgewalt über das Ergebnis bei Regie & Produktion. Und das gilt umso mehr, sobald der Dreh beginnt. Und ist nicht gerade das der reizvolle Teil unseres Jobs? Gute Agenturen und Kunden verstehen diese Dynamik und lassen sie zu, denn sonst könnten sie es ja auch selbst machen (aber das Ergebnis würde wahrscheinlich auch so aussehen…).
Die eigentliche Gefahr einer KI-gestützten Filmzukunft liegt also nicht etwa darin, dass Kunden ihre Filme selbst erstellen. Sondern darin, dass dieser Moment der Übergabe nicht mehr stattfindet, dass man uns nicht mehr gestalten lässt, sondern dass alles in einem Strudel aus Feedbackschleifen, Abnahmen, Pixelschubserei und Framefucking untergeht.
Anstatt also die Workflows einer Full-CG-Produktion eins zu eins zu kopieren, sollten wir uns bei der Integration von KI in die Werbefilmproduktion unter anderem fragen:
- Was war bisher unmöglich, und was machen wir mit unseren ganz speziellen, filmemacherischen Erfahrungen jetzt dank AI möglich?
- Wie erhalten wir uns dabei die kreativen Freiräume, die uns in unserem aktuellen Filmschaffen überhaupt ermöglichen, etwas Großartiges abzuliefern?
- Wie überzeugen wir Kunden und Agenturen davon, dass genau das notwendig ist, um gute Filme zu machen?
Sonst gewinnt die dunkle Seite der Macht, und wir produzieren am Ende nur noch Malen nach Zahlen. Oder vielmehr: sonst dürfen wir die KI beim Malen nach Zahlen beaufsichtigen. Das wäre der Worst Case und glaubt mir, das gilt nicht nur für uns Filmschaffende, sondern auch für Kunden und Agenturen. Wir müssen es ihnen nur so sagen, dass sie es uns auch glauben. Schickt gerne einen Link zu diesem Post weiter – you are welcome!