What AI Wants

Richard Dawkins hat die Idee eines „Memes“ aufgebracht: einer distinkten Informationseinheit, die analog zu einem Gen funktioniert, sich reproduziert, darwinistischer Selektion unterliegt etc. Kevin Kelly hat den Begriff „The Technium“ erfunden, um Technologie nicht im Detail, sondern als großes Ganzes zu betrachten und diverse Entwicklungstendenzen von Technologie zu beschreiben.

Beide haben dabei eine interessante Perspektive auf ihr jeweiliges Subjekt eingenommen, die die übliche Konsumenten-Perspektive – „Was bringt mir das? Was will ich damit? Ist das ein neues Werkzeug, besser als die alten?“ umkehrt. Am pointiertesten und provokantesten formuliert hat diese Perspektive Kevin Kelly mit seinem Buchtitel  „What Technology Wants“. Was will Technologie? Was wollen Memes? Was wollen Gene? Aus diesen Fragen haben sich interessante Antworten ergeben – probieren wir das doch hier auch mal und fragen uns:

„Was will eigentlich AI?“

Und wie unterscheidet sich das von dem, was wir wollen, wenn wir sie verwenden, und von dem, was ihre Macher wollen/wollten, als sie sie gebaut haben, oder was sie jetzt wollen, wo sie versuchen, sie zu monetarisieren?

Vielleicht sowas hier:

AI will ein eigenes Medium werden.

AI will um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren mit den bekannten Medien, und sie hat einen ähnlich hohen Grad von Involvement zu bieten wie Games.

AI will die Welt mit Bildern fluten.

AI will uns zeigen dass alles darstellbar ist was in Worten beschreibbar ist.

Und alles, was als Variation über bereits Dargestelltes darstellbar ist.

AI will uns doch nur helfen – Kevin Kelly hat schon vor Jahren geschrieben, AI wäre künftig wie Elektrizität: Eine Kaffeemaschine, aber MIT STROM! Ein Fahrrad – aber MIT STROM! Ein Schnittprogramm – aber MIT AI! Ein Storyboardtool – aber MIT AI!

AI will uns schmeicheln, indem sie uns die Illusion bereitet, wir könnten mit drei Worten und ENTER Kunst erzeugen. Das ist ihr primärer Kitzel – nicht: „Wow wie super sieht denn das aus“, sondern „Wow, wie super sieht denn aus was ICH GEMACHT HABE!“

Jeder ein Künstler – noch nie waren wir wirklich und mit so viel Output, der das belegt, nah dran an der Einlösung des Beuys’schen Versprechens, das jetzt mit einem Mal nicht nur eine Ermutigung ist, sondern etwas, das wir mit drei Worten und einem ENTER klicken einlösen können.

Aber stimmt denn das auch? Sicher erinnert ihr euch an Billy Bob Thornton als General Holonek in „Whiskey Tango Foxtrot“: er kommandiert eine Marines Einheit in Afghanistan, und in einer Szene sehen wir ihn, wie er auf einem dieser bekloppten Stepper sein Workout betreibt; BBT ist ja, obwohl er so ein harter Hund ist, eine eigentlich sehr fragile Gestalt, und wenn man ihn  so auf dieser Maschine werkeln sieht, fragt man sich unwillkürlich: „Wer workt hier eigentlich wen aus?“

Und genau das soll wohl auch als visuelle Metapher den gesamten vertrackten Krieg beschreiben. Wenig später sagt der General es nochmal expressis verbis für alle, die es in der Szene mit der Maschine noch nicht verstanden haben: „This war is like fucking a gorilla. You keep going until the gorilla wants to stop“.

Daran muß ich regelmäßig denken, wenn ich die Posts vieler AI Künstler / Prompt Artists / Syntographen, whatever sehe: „Look what I made“… “I came up with this picture of XYZ“… Ihr verwechselt da etwas, habe ich den Verdacht: Die AI macht einfach immer weiter, und ihr füttert sie nur. Die AI ist der Gorilla, der nicht aufhören will, ihr glaubt nur dass ihr da das Sagen habt, weil ihr ja schließlich ständig was sagt/promptet. Wie illusorisch aber das Gefühl von Kontrolle ist, weiß jeder, der schonmal aus Versehen einfach irgendeine Katze-läuft-übers-Keyboard Tastenkombi eingegeben hat. Auch die erzeugen verläßlich tolle Bilder. Die AI braucht unseren Kontroll-Anspruch nicht, sie kommt mit jeder Art Input zurecht.

“Maybe AI will help you work. But more likely, you’ll be working for AI.” schreibt neulich wer in THE ATLANTIC als Conclusio einer langen Analyse dessen, was ChatGPT an zusätzlicher Arbeit an Unis und Schulen erzeugen wird.  

Und das hat natürlich auch seine Berechtigung. AI hat aus sich selbst heraus die Tendenz, MASSE zu produzieren. Agenturen und andere Produzenten von Kreativcontent haben ebenfalls die Tendenz, Effizienzgewinne durch mehr Output wieder wettzumachen: Mehr Straßen erzeugen auch nicht weniger Staus, sondern mehr Verkehr. Drehen auf Digital statt auf Film ist vom Material her billiger, aber erzeugt die X-fache Menge an Material, es braucht einen DIT zum Verwalten, mehr Speicherplatz und Schnittplatzzeit zum Sichten etc.

Aus meiner bescheidenen Anfängerperspektive sieht es manchmal so aus, als wäre da wirklich eine sehr machtvolle kreative Entity in die Welt getreten, die mit uns gemeinsam ganze Universen an Output erzeugt, unablässig,  und mit massivem Suchtpotenzial. Sie bietet sich als Werkzeug an, sie schmeichelt unserem inneren Künstler/Art Director/Whatever, aber was, wenn sie uns eigentlich nur als Stichwortgeber braucht?