AIron Man

Okay, sorry für den mauen Wortwitz, aber ich konnte nicht anders. Just A Rather Very Intelligent System oder kurz JARVIS ist da draußen. Jarvis spricht noch nicht mit uns wie mit Tony Stark, aber das nicht wegen technischer Limitationen, die gibt’s schon gar nicht mehr; sondern wohl nur deswegen, weil wir sonst noch mehr Schiß vor ihm/ihr hätten, als wir es sowieso schon haben.

Vergesst mal Jarvis‘ fancy user interface aus Iron Man, die Grafiken, die immer vor Robert Downey Jr.‘s Gesicht rumschweben, das sind nur so VFX-Platzhalter für „whooo, veeery complicated technology at work“. In Wiklichkeit ist die Idee von Jarvis in Iron Man das Gegenteil dieser Grafiken, Jarvis ist viel simpler und aber gerade deshalb so viel mächtiger. Warum? Jarvis spricht mit Tony Stark, und Jarvis erledigt, worum Tony ihn bittet. Jarvis ist ein Assistent, aber nicht wie Alfred, der Butler, sondern eher wie Siri auf Steroids.

Was müßte denn Jarvis in unserer Welt können, um ein so guter & mächtiger Assistent zu sein? Jarvis müßte mit mir kommunizieren können; und er müßte mit all den anderen Tools da draußen interagieren können, sprich: Schnittstellen haben zum Netz und zu allen anderen Programmen/Interfaces, die es bereits gibt, und die wiederum Schnittstellen in die reale Welt haben: Ich bitte Jarvis um ein Rezept für eine Quiche Lorraine. Jarvis findet ein Rezept, bestellt die Zutaten beim REWE Lieferdienst, und der liefert mir die Zutaten. Aber Jarvis müßte nicht nur mit REWE kommunizieren, sondern mit allem & jedem. Jarvis müßte DAS EINE FRONTEND sein, das ich brauche, um mit jeder Art Software zu interagieren. Und mit einem immer weiter wachsenden Teil der physischen Realität, die sich über diverse Software Interfaces erreichen lässt, ohne daß ich mit diesen Software Interfaces selbst in Berührung komme: Das soll ja mein Assistent Jarvis für mich erledigen.

Alles, was es dafür noch braucht, um Jarvis wahr werden zu lassen, ist (bitte ankreuzen)

  1. ein Multimilliardär-Genie wie *cough* Bill Gates Elon Musk *cough*: Tony Stark, der das entwickelt und finanziert
  2. 20 Jahre Forschung & Entwicklung zu AI
  3. Plugins

Ihr ahnt es, die richtige Antwort ist natürlich „C,“ A & B hamwa schon, und seit kurzem ist auch C am Start, denn ChatGPT4 ermöglicht, tadaa, P-l-u-g-i-n-s.

Und was so harmlos & simpel klingt („Plugins? Kenn ich! Braucht mein Quicktimeplayer um die RED Daten abspielen zu können“) ist ein Riesenschritt, weil das die Kommunikation zwischen ChatGPT4 und anderen Programmen ermöglicht, und zwar auf Initiative und optimiert seitens der anderen Programme selbst.

Achtung, weit hergeholte Vorhersage: Genau wie sich sämtliche Websites nach und nach dahingehend optimiert haben, daß GOOGLE sie findet, werden sich bald sämtliche Programme und Interfaces dahingehend optimieren, daß ChatGPT mit ihnen optimal interagieren kann. Nicht mehr du & ich als User, sondern unser aller Assistent. Und wenn das tatsächlich passiert, dann ist das in Wahrheit der Schritt vom ChatBot zum universalen Interface, von ChatGPT4 zu Jarvis.

Expedia zählt zu den ersten Anbietern dieser Art Plugins: Anstatt sich einen Reiseplan zurechtzulegen, und den dann selber mühselig auf der Oberfläche von Expedia abzuarbeiten, kann ich ChatGPT mit ein paar Sätzen briefen, wie meine Reise aussehen soll, und Jarvis klärt das dann mit Expedia. Inklusive Restaurantreservierung, Flugbuchung, Hotelbuchung etc.

Was bedeutet das im Speziellen für uns Producerhasen?

Eins der großen Themen war ja anfänglich, ob ChatGPT Google überflüssig macht als Gateway zum Netz, als die bessere Suchmaschine. Mit Plugins ist jetzt weit mehr als das passiert: ChatGPT macht mittelfristig alle andere Software nicht überflüssig, aber es wird sich im Alltag als Interface zwischen uns und andere Software schieben und der neue Gatekeeper werden für unseren Umgang mit den Tools auf unseren Rechnern und Telefonen. Damit ist das Supertool am Horizont in Sicht, ein General Interface, das für uns mit allen anderen Tools kommuniziert.

Fun Fact: ADOBE hat grade seine eigene Text-To-Image AI „Firefly“ präsentiert und wird sie als Plugin in Photoshop und Lightroom und auch in diverse Bewegbildtools integrieren. Und so nebenbei Adobes eigenes Stockfoto-Business kannibalisieren (wohl notgedrungen – bevor es andere tun…). Da kann man das Zusammenspiel zwischen AI und einem klassischen Tool wie Photoshop jetzt live innerhalb dieses begrenzten Biotops beobachten: Auch hier wird sich zeigen, wer hier am Ende wessen Plugin ist. Bleibt Photoshop Photoshop mit ein paar AI Erweiterungen, oder transformiert sich das nach und nach in eine Bilder generierende und manipulierende AI, die über alle präzisen Kontrollfunktionen aus Photoshop verfügt, die Midjourney et al. bisher eben noch nicht haben?

Zurück zur Producerrealität. Ich habe Gerüchte gehört über einen Autofilm, der gerade komplett im Rechner entsteht: alle Hintergründe und das Auto selbst werden in Unreal Engine zu einem kompletten Produktfilm zuammengefahren. Hintergründe, Kameramoves etc sind photorealistisch und ergeben einen Film, der zu 100% real aussieht. Noch mit viel Arbeit und Glitches und Problemen und Abstimmungsprozessen etc, sodass die 60 Sekunden Film da noch Monate an Produktionszeit fressen mit hunderten von Mann/Frautagen an Arbeit, Abstimmungsschleifen aus der Hölle etc. Vielleicht sogar sehr viel mehr „Handarbeit“ in Summe – ironischerweise – als wenn man real drehen würde.

ABER. Was wenn das bald state of the art ist (und das ist es, mark my words), und wenn die Diskussionen darum, ob das denn nun schon genauso gut wie real gedreht ist, mal ausdiskutiert sind, wie sie es auch beim Thema „Digitalkameras vs. Film“ irgendwann waren? Ich sage an dem Punkt sind wir schon. Diese ganzen AUDI Filme etwa, ihr wisst schon: Ze future is an attitude und so, die WOLLEN doch so aussehen, als wenn sie aus dem Rechner kämen, die könnten längst komplett aus dem Rechner kommen und niemand würde den Unterschied bemerken, ob nun die Stahl&Glas Wolkenkratzer aus Dubai kommen oder aus der Unreal Engine.

Okay, da sind wir, werdet ihr sagen, aber was kommt dann? Vielleicht das hier, sicherheitshalber noch im Konjunktiv formuliert, damit ich nachher alles als reines Gedankenexperiment abtun kann: 

Was, wenn die Unreal Engine ein Plugin für ChatGPT anböte und ich sagte oder tippte: „Jarvis, sprich doch mal bitte mit der Unreal Engine, ihr kennt euch doch. Ich hätte gern einen 30 Sekunden langen Autofilm, der in der Wüste spielt mit folgendem Auto, hier ist der Link zur Regieinterpretation mit allen Midjourney Prompts, mit denen wir die Bilder erzeugt haben; und hier die CAD Daten vom Auto. Bitte inkludiere folgende Einstellungen: 1-15. Storyboard läßt du dir von MJ malen, ich schau vielleicht vorher mal drüber, oder egal: mach einfach fertig, wenn’s mir nicht gefällt machen wir – also ihr – halt nochmal von vorne. Und dann besorg‘ dir einen Timeslot & Rechenpower bei Baselight und leg mir mal einen Filmkorn-Look darüber. Nur weil ich Bock hab, das mal zu sehen. Oh, und komm‘ mir nicht mit so einem langweiligen U-Crane-Film nach Hause, ich will crazy Transitions, ungesehene Kamerafahrten und einen superedelen High End Look.“ Hach, ich wollte schon immer mal wie ein Agenturkreativer sprechen, vor Jarvis muß ich mich ja nicht schämen für Plattitüdengewitter, ist ja nur Software.

1 Stunde später: „Naa, zu viele Wide Shots, der Kunde braucht noch CloseUps von den folgenden 3 Car Features, mach nochmal. Und vergiß‘ das mit dem Filmkorn-Look aus Baselight, gefällt mir nicht. Sprich mal mit Resolve, ob derdiedas nicht sowas in Richtung Chungking Express Look anbieten kann.“

Und was, wenn unser aller SCOPE Kalkulationsprogramm demnächst ein ChatGPT Plugin anböte, und ich Jarvis zurufen könnte: „Kalkuliere mir doch einen Margarine-Film in Kapstadt, 2 Drehtage, mittleres Preissegment, 5 Happy-Family-Darstellerinnen aus Deutschland wegen deutschem Dialog, Styling & Production Design von vor Ort, aber anspruchsvolle Regie, für die Post nur Schnitt, Grading und 1 Tag Tonmischung, bittesehr“?

Ja, was dann? wie es so schön bei „Peter & Der Wolf“ heißt.

*Danke an Rex Woodbury für die JARVIS Idee & tonnenweise input, abonnieren dringend empfohlen!

What AI Wants

Richard Dawkins hat die Idee eines „Memes“ aufgebracht: einer distinkten Informationseinheit, die analog zu einem Gen funktioniert, sich reproduziert, darwinistischer Selektion unterliegt etc. Kevin Kelly hat den Begriff „The Technium“ erfunden, um Technologie nicht im Detail, sondern als großes Ganzes zu betrachten und diverse Entwicklungstendenzen von Technologie zu beschreiben.

Beide haben dabei eine interessante Perspektive auf ihr jeweiliges Subjekt eingenommen, die die übliche Konsumenten-Perspektive – „Was bringt mir das? Was will ich damit? Ist das ein neues Werkzeug, besser als die alten?“ umkehrt. Am pointiertesten und provokantesten formuliert hat diese Perspektive Kevin Kelly mit seinem Buchtitel  „What Technology Wants“. Was will Technologie? Was wollen Memes? Was wollen Gene? Aus diesen Fragen haben sich interessante Antworten ergeben – probieren wir das doch hier auch mal und fragen uns:

„Was will eigentlich AI?“

Und wie unterscheidet sich das von dem, was wir wollen, wenn wir sie verwenden, und von dem, was ihre Macher wollen/wollten, als sie sie gebaut haben, oder was sie jetzt wollen, wo sie versuchen, sie zu monetarisieren?

Vielleicht sowas hier:

AI will ein eigenes Medium werden.

AI will um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren mit den bekannten Medien, und sie hat einen ähnlich hohen Grad von Involvement zu bieten wie Games.

AI will die Welt mit Bildern fluten.

AI will uns zeigen dass alles darstellbar ist was in Worten beschreibbar ist.

Und alles, was als Variation über bereits Dargestelltes darstellbar ist.

AI will uns doch nur helfen – Kevin Kelly hat schon vor Jahren geschrieben, AI wäre künftig wie Elektrizität: Eine Kaffeemaschine, aber MIT STROM! Ein Fahrrad – aber MIT STROM! Ein Schnittprogramm – aber MIT AI! Ein Storyboardtool – aber MIT AI!

AI will uns schmeicheln, indem sie uns die Illusion bereitet, wir könnten mit drei Worten und ENTER Kunst erzeugen. Das ist ihr primärer Kitzel – nicht: „Wow wie super sieht denn das aus“, sondern „Wow, wie super sieht denn aus was ICH GEMACHT HABE!“

Jeder ein Künstler – noch nie waren wir wirklich und mit so viel Output, der das belegt, nah dran an der Einlösung des Beuys’schen Versprechens, das jetzt mit einem Mal nicht nur eine Ermutigung ist, sondern etwas, das wir mit drei Worten und einem ENTER klicken einlösen können.

Aber stimmt denn das auch? Sicher erinnert ihr euch an Billy Bob Thornton als General Holonek in „Whiskey Tango Foxtrot“: er kommandiert eine Marines Einheit in Afghanistan, und in einer Szene sehen wir ihn, wie er auf einem dieser bekloppten Stepper sein Workout betreibt; BBT ist ja, obwohl er so ein harter Hund ist, eine eigentlich sehr fragile Gestalt, und wenn man ihn  so auf dieser Maschine werkeln sieht, fragt man sich unwillkürlich: „Wer workt hier eigentlich wen aus?“

Und genau das soll wohl auch als visuelle Metapher den gesamten vertrackten Krieg beschreiben. Wenig später sagt der General es nochmal expressis verbis für alle, die es in der Szene mit der Maschine noch nicht verstanden haben: „This war is like fucking a gorilla. You keep going until the gorilla wants to stop“.

Daran muß ich regelmäßig denken, wenn ich die Posts vieler AI Künstler / Prompt Artists / Syntographen, whatever sehe: „Look what I made“… “I came up with this picture of XYZ“… Ihr verwechselt da etwas, habe ich den Verdacht: Die AI macht einfach immer weiter, und ihr füttert sie nur. Die AI ist der Gorilla, der nicht aufhören will, ihr glaubt nur dass ihr da das Sagen habt, weil ihr ja schließlich ständig was sagt/promptet. Wie illusorisch aber das Gefühl von Kontrolle ist, weiß jeder, der schonmal aus Versehen einfach irgendeine Katze-läuft-übers-Keyboard Tastenkombi eingegeben hat. Auch die erzeugen verläßlich tolle Bilder. Die AI braucht unseren Kontroll-Anspruch nicht, sie kommt mit jeder Art Input zurecht.

“Maybe AI will help you work. But more likely, you’ll be working for AI.” schreibt neulich wer in THE ATLANTIC als Conclusio einer langen Analyse dessen, was ChatGPT an zusätzlicher Arbeit an Unis und Schulen erzeugen wird.  

Und das hat natürlich auch seine Berechtigung. AI hat aus sich selbst heraus die Tendenz, MASSE zu produzieren. Agenturen und andere Produzenten von Kreativcontent haben ebenfalls die Tendenz, Effizienzgewinne durch mehr Output wieder wettzumachen: Mehr Straßen erzeugen auch nicht weniger Staus, sondern mehr Verkehr. Drehen auf Digital statt auf Film ist vom Material her billiger, aber erzeugt die X-fache Menge an Material, es braucht einen DIT zum Verwalten, mehr Speicherplatz und Schnittplatzzeit zum Sichten etc.

Aus meiner bescheidenen Anfängerperspektive sieht es manchmal so aus, als wäre da wirklich eine sehr machtvolle kreative Entity in die Welt getreten, die mit uns gemeinsam ganze Universen an Output erzeugt, unablässig,  und mit massivem Suchtpotenzial. Sie bietet sich als Werkzeug an, sie schmeichelt unserem inneren Künstler/Art Director/Whatever, aber was, wenn sie uns eigentlich nur als Stichwortgeber braucht?

Just Another Tool

Auf die Gefahr hin, etwas obsessiv rüberzukommen: TADAAAAA! „AI Realismus“ ist auf einmal eine Tatsache. 

Noch vor ein paar Wochen hatte alles, was da rauskam, so einen illustrativen Touch. Ja, die AI konnte tolle Welten malen, die wie die Illustrationen aus meinem 60er Jahre „Reader’s Digest Jugendbuch für Jungen“ aussahen, so weit, so nett, so harmlos (für alle Nicht-Illustratoren, Comic-Zeichner & Storyboard Artists jedenfalls).

Seit SD 2.x und MJ 4.x können die führenden AIs wirklich fotorealistische Bilder erzeugen. Die findest du, wenn du dich nicht von dem kindischen Noise ablenken lässt, „Batman mit Bauch im Duell gegen Trump als Weihnachtselfe“ etc., in den das noch eingebettet ist. Und jede/r schusselige Consumer wie yours truly kann sie erzeugen (lassen). Seht euch mal diese random zusammengestellten Beispiele von AI erfundenen Bildern aus meinem AI Feed in Midjourney an, die mühelos in diversen Kernbereichen unseres Werbefilmschaffens mithalten können:

AI People / Portraits

AI Sneaker / Produktfotografie

AI Beauty & Fashion

AI Autos

AI Architektur & Gebäude

AI Interiors & Räume

AI Foodporn

Und ich hab das dumpfe Gefühl, dass diese Schritte – von der Illustration zum Foto-Realismus in ein paar Wochen – in einer ähnlichen Schlagzahl weiterhin kommen werden: „Text–to-3D“ ist schon verfügbar; ChatGPT ist erwacht und schreibt Battle-Rap-Texte und Textprompts für bessere AI Bilder. META hat „Text–To-Video“ vorgestellt. Bam, Bam, Bam.

AI wird diverse Jobs günstiger erledigen können als auf traditionelle Weise hergestellte Jobs.  Da hätte ich jedes Verständnis dafür wenn Food-Stylisten, Stockfotografen und MakeUp Artists doomsdaymässig kreischend durch Mitte laufen, die Fäuste gen Himmel schütteln und immerzu rufen: „The end is nigh, wir werden alle unsere Jobs verlieren“. Da kann Kevin Kelly ruhig in gewohnter Techno-Optimisten-Manier das Gegenteil versprechen (ohne jeden Beleg, und eigentlich wider besseres Wissen übrigens). Auch wenn er ansonsten den besten Artikel zum Thema geschrieben hat, der mir bisher begegnet ist. Aber ich schweife ab.

Diese AI wirft die traditionellen Schnittstellen über den Haufen zwischen Kreation und Exekution, zwischen Briefing vom Kunden, Ideenfindung in einer Agentur und Ideen-Exekution durch uns Kreativhandwerker. „Wir sind die Designer, ihr die Schreiner“ hat Springer oder Jacoby angeblich mal gesagt. Not any longer, möchte man antworten. Die AIs haben an aller visuellen Kreativität der Welt trainiert; ihr Output hat deshalb – alle drei Minuten & per Knopfdruck – oft genug mehr visuelle Kreativität zu bieten als viele Agentur-Kreativteams, und das at scale.

Wenn ich eine Agentur wäre, dann hätte ich längst eine Pipeline etabliert, die zu allen Themen, die mich und meine Kunden angehen, täglich sagenwirmal 500 Bilder erzeugen lässt. AI unterstütztes Brainstorming sozusagen. Und wenn nur, um meinen Vorsprung gegenüber den Konsumern nicht zu verlieren… Denn die AIs stehen jedem zur Verfügung. Dem Kunden. Dem Praktikanten in der Agentur, der zum Sortieren der täglichen 500 Bilder abgestellt worden ist, und plötzlich mit DEM ULTIMATIVEN BILD in der Hand dasteht und überlegt, ob er’s als seins verkauft bekommt. Der Photographin vorm und beim und nach dem Foto-Shoot. Und dem Caterer. Und… Aber ich schweife schon wieder ab.

Was ist denn nun eigentlich die neue Qualität dieser AIs, und warum ist es so disruptiv, wenn sie jeder/m zur Verfügung steht? Warum verfangen diese „AI is just another tool“ Argumente eben nicht, die ich schon ein paarmal gelesen habe… „Einen Pinsel kann sich jeder leisten, aber darum wird noch nicht jeder Picasso“ Oder „Ja, fotografieren kann auch jeder mit seinem iPhone, aber darum kann deine Oma noch lange nicht das nächste VOGUE Cover fotografieren“.  

Tools sind konzeptlose, vergleichsweise unintelligente Werkzeuge, auch wenn sie an hunderten von Jahren an kreativer Arbeit optimiert worden sind. Photoshop kann einen sehr konkreten Befehl sehr konkret umsetzen: Mach das Bild heller. Toll, aber trotzdem ein Tool. Ein iPhone kann eine sehr konkrete visuelle Realität – was sich vor deinen Augen befindet – sehr konkret in ein vielleicht sogar beeindruckendes Bild verwandeln. Toll, aber trotzdem ein Tool.

Die abstrakten Konzepte dahinter – hinter dem Bild, das dein Pinsel malen soll, hinter dem Foto, das du von diesem spektakulären Sonnenuntergang machen möchtest – sind dabei aber für Tools wie Pinsel, Photoshop und iPhone unerreichbar. Dafür braucht es die spektakuläre Intelligenz einer AI. Die hat anhand eines Datensatzes aus rund 6 Milliarden Bildern und deren jeweiliger verbaler Beschreibung trainiert und kennt deshalb bis zu einem gewissen Grad die Verbindung von Bildern und von logischen, ästhetischen, visuellen, historischen und 1.000 anderen Konzepten, und sie kann sie zur ERSCHAFFUNG von Bildern aus Konzepten anwenden. Damit ist sie im Allerheiligsten des kreativen Prozesses angekommen: beim BILDER ERFINDEN, und das jetzt schon auf photorealistischem Niveau. Nicht nur ein Tool, sondern ein Quantensprung. 

Und die Fähigkeit, KONZEPTE zu erfinden, aus denen man Bilder machen (lassen) kann, die ist, steile These, deutlich anders verteilt als die Fähigkeiten, anhand derer sich die Menschen heutzutage in die bisher vorhandenen Kreativberufe einsortieren. Vielleicht gibts am Ende in unserem ganz speziellen Ökosystem nur noch 2 Sorten Jobs: AI Jockeys und Kreativdirektoren. 

Okay, und Juristen. Und Buchhalter. Und die werden die Zukunft dieser Sorte AI natürlich mindestens genau so mitentscheiden wie die kreativen Use Cases. Es braucht dabei weder Buchhalter noch Producer, um grob zu überschlagen, wie viel weniger bei der Herstellung all dieser Bilder ausgegeben worden ist. Und die Kombination aus Qualität und Kosteneinsparpotenzial wird dem Ganzen so einen Schub verleihen, dass wir da alle noch mit den Ohren schlackern werden. Hey, ist ja nur ein Blog, da kann ich so viele Maximalismen auffahren wie ich Lust hab!

P.S.: Die Portraits im Header hat mir MJ ausgespuckt auf Basis eines simplen Textprompts. Keine Post Production, kein garnichts. Die Bilder im Beitrag sind zum Teil von mir & MJ, zum größten Teil aus meinem MJ Feed / von anderen MJ Usern veröffentlicht. Da weiß ich weniger über den Herstellungs-Prozeß.

P.P.S.: Hier ist meine, oldschool, Facebook-Gruppe mit Beispielen zum Thema „AI Realismus“.

P.P.P.S.: Ich bin grade nochmal gestolpert über Interview mit David Bowie aus 1999, in dem er total abspacet darüber, dass das Internet alles über den Haufen werfen wird. Und was antwortet Jeremy Paxman von der BBC? „But it’s just a tool, isn’t it?“ (ca. min 11:00) Well, maybe not.

Ganz ehrlich: Ich versteh‘ das Argument nicht. Ich verstehe die Motivation hinter dem Argument – Pfeifen im Walde, ist doch nur ein Werkzeug, wird schon nicht so schlimm werden – aber ich glaube, das Argument geht an der Sache vorbei. Ein Laptop ist auch ‚just a tool‘. Ein Auto auch. Ein Webstuhl auch. Aber trotzdem sind das alles transformative Technologien mit massivem Veränderungspotenzial für diverse gesellschaftliche Prozesse. Das kann man doch nicht einfach so kleinquatschen!

Japanischer Freelancer mit 5 Buchstaben?

„Ronin“ heißt ein ehemaliger Samurai, der keinen Dienstherren, und damit auch keinen Job hat, ein drifter, ein Streuner (wörtlich im Japanischen: 浪人: „Wellenmann“). Eine unmögliche Person, für viele Jahrhunderte das Schreckbild eines aufrechten Samurai eigentlich. Aber was müssen wir da bereits im Jahr 1710 in Tsunetomo Yamamotos „Hagakure“ lesen, einem der Standardwerke über das Selbstverständnis des Samurai?   

“People think that nothing could be worse than being a Ronin; and that, if dismissed from duty, it must crush the spirit and lead to a loss of incentive. Yet, when I was a Ronin, I found it was not at all that bad. It was different than what I expected, and to be honest, I wouldn’t mind being a Ronin again.”

Noch ein Jahrhundert zuvor, zu Beginn der Edo Periode, wäre das eine recht frivole Perspektive auf das Thema Arbeitsplatzverlust gewesen, die sich ein Samurai wie Yamamoto nur deshalb leisten kann, weil er unter dem Nabeshima-Clan diente, der entgegen der traditionellen Gepflogenheiten auch Ronins wieder zu Samurai machte. Für die Mehrheit der Clans unter dem Tokugawa Shogunat war das nach wie vor undenkbar: einmal Ronin – immer Ronin. Nach alter Tradition konnten Ronins nie wieder einem andern Herren dienen. Es gab Heerschaaren zwangsweise zu Ronin gewordener Samurai, die nur deshalb ihren Job verloren hatten, weil ihr Daimyo in einem der unzähligen Kriege sein Leben verloren hatte, Ronins, die sich in Ermangelung anderer Möglichkeiten als Banditen durchschlugen, blutige Roninaufstände etc. Unpraktischerweise erlaubte das starre Kastensystem der frühen Edo-Zeit nämlich auch nicht, daß Ronin Bauern oder Handwerker wurden, Umschulen war nicht.

Die verbreitete gesellschaftliche Erwartungshaltung gegenüber einem Samurai, der seinen Job verloren hatte, war demensprechend, dass er doch bitte sepukku begehen möge, die rituelle Selbsttötung mittels Bauch Aufschlitzens. 

Relativ extreme Erwartungshaltung, dass man sich entleibt, wenn der Arbeitgeber abtritt, sag ich mal: was für eine beknackte Definition von Loyalität! Und wie unökonomisch, gesamtgesellschaftlich gesehen, ständig einen Teil seiner Workforce auszulöschen oder in die Illegalität zu treiben. Mag ja ganz gut gegen die innere Kündigung helfen, aber geht’s vielleicht auch ‘ne Nummer kleiner? Haben die Japaner auch irgendwann als Gesellschaft verstanden, dass man sich das nicht leisten kann auf Dauer, wie es sich schon im obigen Hagakure-Zitat zumindest als „Ich hab da mal ‘ne ganz unkonventionelle  Idee“ ankündigt.

Spoiler alert: Uneingeschränkt ist das Hagakure nicht zu empfehlen als Producerlehrgang, es ist pickepackevoll mit jeder Menge schwer verdaulichem Altherren-Gerumpel á là „Gähnen in der Öffentlichkeit ist vulgär!“, aber es ist erstaunlich unterhaltsam zwischendurch. Und vor allem wirft es – vielleicht gerade weil es kulturell und zeitlich so weit weg ist – tatsächlich immer wieder die Frage auf, wie das denn bei uns so funktioniert, bei den festen Producern, den Festen Freien, den Freelancern, den Permalancern und unseren Daimyos, den Produktionsfirmen? Wem schulden wir denn nach dem uralten Producerkodex Treue, Loyalität, Gefolgschaft? Darauf wird es für jede Art Producersamurai die unterschiedlichsten Antworten, unterschiedliche individuelle Schwerpunktsetzungen geben.

Es soll ja Producer geben, die wirklich und wahrhaftig an guter Werbung interessiert sind, an guten Werbefilmen im Besonderen. Der Beak Street Bugle hat mal behauptet: “You’ve got more chance of making a good film with a good producer and a bad director than the reverse”. Egal ob das stimmt oder nicht: Es gibt Producer, die das glauben, und die Einiges bis Alles für einen guten Film geben.

Viele fühlen sich tatsächlich diesem Job, seinen Gepflogenheiten, seinen ungeschriebenen Regeln verbunden, zu denen thank goodness nicht das Bauchaufschlitzen gehört: „This is how we do it“, Standesehre, Berufsethos, das gibts hier tatsächlich, wenn auch eher verdeckt, gern in subtilen, quirky Ritualen: „Don’t Jinx it!“ zu sagen, wenn jemand sich so verhält, als wenn der Job schon da wäre, bevor er WIKRLICH da ist, beispielsweise.

Und dann das Projektgeschäft im Speziellen: ein gemeinsames Verständnis herrscht unter vielen Produzierenden, dass das Projekt, welches auch immer es grade sei, fertig werden MUSS, und nicht nur von alleine und irgendwie, sondern in time, mit aller verfügbaren Energie und so (kreativ, finanziell, karmamässig) gut wie irgend möglich. Das reicht vielen als Selbstdefinition. Für einige ist das eine Zwischenstation auf dem Weg, selbst ein Daimyo zu werden, für viele die ich kenne, ist das schon genug: ein guter Producer zu sein.

Manche fühlen sich nach alter Samurai-Sitte gebunden an ihren Daymio, den Menschen, der/die die Company gegründet hat, für die sie schaffen. Nachdem das hier grundsätzlich very personal business ist – keine Produktionsfirma mit einer Ausnahme besteht in Deutschland aus mehr als 30 Leuten – ist das erfahrungsgemäß weit verbreitet.

Für wieder andere geht’s um den Clan, die Posse, die Verbündeten, die Mitstreiter, der Mikrokosmos der Peoples, mit denen man Projekte wuppt. Only crew love is true love!

Oder ist es das Geldverdienen? Soll ja ab&zu stattfinden habe ich raunen hören, und es soll Producer geben, die das ganz besonders gerne machen und stolz darauf sind, aus einem Projekt möglichst viel rauszuholen für den Daimyo und für sich selbst am Ende auch, natürlich.

Auch wenn wir nicht das englische System der personal producer haben:  viele fühlen sich als „Regisseur XYZ’s Producer“. Kenn ich, kann ich nachvollziehen, macht auch eine Menge Sinn, auch wenn das in diesem schnelldrehenden Business, in dem Regisseure und Producer regelmäßig rotieren, oft schwer herstellbar und durchhaltbar ist

Die Loyalitäten gegenüber all diesen unterschiedlichen Faktoren können friedlich in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen in einer Producerpersönlichkeit koexistieren, sie können aber auch miteinander kollidieren, und das kann dann auch mal scheppern und wehtun.

Yamamoto wollte per sepukku seinem Chef nach dessen Ableben ins Nirwana folgen, angeblich aber DURFTE er nicht. Naaaaaa, bin ich hier der Einzige, für den das ein wenig zu convenient klingt? Ganz vielleicht war er ja auch froh, daß er selbst, dessen Philosophie sich zu 90% um Todessehnsucht und Diensteifer bis zur Selbstaufopferung drehte ohne daß er selbst jemals in den Krieg gezogen wäre, nicht am Ende die Konsequenzen seiner eigenen Ausführungen ausbaden mußte, und stattdessen ins Kloster abtauchen konnte.

Wie auch immer – das Ausschlachten seiner blutrünstigsten Weisheiten überlasse ich gern schmierlappigen Motivationsseminarleitern und entlasse uns alle stattdessen mit einem doch sehr Werbefilmproduktions-kompatiblen Ratschlag:

„Man kann keinen guten Dienst leisten, wenn man von anderen nicht gemocht wird. Niemand kann einen Mann hassen, der sich darum bemüht, nützlich zu sein, der seinen Dienst liebt, sich dafür anstrengt und allzeit bereit mit seinen Weggefährten arbeitet.“

What’s your baseline?

Nichts ist schwieriger als ganz hinter seiner Arbeit zu verschwinden, neutral zu sein beim Kalkulieren. Auch wenn er sich in Excel herstellt / aufbaut, ist ein KVA natürlich nie ein rein rationales, formelbasiertes Produkt, sondern in die Gesamtsumme fließen immer auch die Grundannahmen, aber auch die Gestimmtheiten des Produzierenden ein. 

Du findest, das Business ist als Ganzes überkompliziert, von Sicherheitsdenken gelähmt, das geht doch auch anders, hemdsärmeliger, mal mit „Fünfe gerade sein lassen“ und „Mut Zur Lücke“? Oder bist du eher der Ansicht, dass unsere Crews besser bezahlt werden müßten, wir natürlich sowieso, daß Agenturen und Kunden grundsätzlich die Produktionen übervorteilen und mithilfe der Pitchkonkurrenz zwingen, immer unangemessen billig anzubieten etc. pp. Dann wirst du jeweils deutlich anders kalkulieren, auch wenn du haargenau dieselbe Software dafür benutzt.

Stellt Euch vor, es gäbe endlich eine AI, die uns überflüssig macht: Ihr schubst oben ein Agenturscript oder ein Regie-Treatment rein, und unten kommt eine Zahl raus, Feierabend. Klingt lächerlich? Wartet’s mal ab…. Ich will aber grade gar nicht in die Diskussion einsteigen, wann denn unser Job von einer Kalkulations – AI erledigt werden wird und ob das gut oder schlecht ist. Ich finde nur die Perspektive hilfreich als Hypothese: daß es so etwas wie einen objektiv ermittelbaren Preis, eine BASELINE gibt.

Ich will auch die beiden oben skizzierten Grundgestimmtheiten nicht diskutieren oder gegeneinander abwägen. Ich will nur den Punkt machen, daß sie beide im Kalkulationsprozeß ihren Platz finden können, aber erst nachdem wir uns jede Mühe gegeben haben, eine objektive Baseline zu etablieren.

Der Prozeß der Preisfindung ist also – nach der Fact Finding Mission, die die Basics zusammenträgt  – idealerweise ein zweistufiger: 

  1. Was ist unsere Baseline? Was würde das objektiv kosten?
  2. Von welchen Zielen, Grundannahmen, Biases, Extrawünschen, Politics etc. lassen wir diese Baseline modifizieren?

Die objektive Baseline mag eine Fiktion sein, die für immer unerreichbar bleiben muß, aber sie ist eine hilfreiche Fiktion. Ohne sie verlieren wir viel zu schnell den Überblick darüber, was wir eigentlich kalkuliert haben: Die harten Fakten, oder – bis zu welchem Grad, mit welchem Anteil? – unsere eigenen Biases, Wünsche etc.

So, und wenn wir das geklärt haben, dann sind wir bereit für Stufe 3: Die Verhandlungen mit Agentur, Kunde, Cost Controller, Einkauf und all den anderen, die da nochmal einen ganz eigenen Blick drauf haben als wir…

On To The Next One!

Film ist time based art, was für unsere Werbefilme ja auch bedeutet: sie sind schnell, kurz, und schnell wieder weg. Könnt ihr Euch noch an den Superbowl TV Spot von letztem Jahr erinnern, wo… nein? Ich auch nicht. 

Sehr gut hingegen erinnern kann ich mich an einen Spot über einen Postboten, der einen Riesenalarm veranstaltet, um nur einen einzigen Brief zu delivern: Hundertschaften von Kollegen marschieren mit, Flugzeuge und Helikopter verdunkeln den Himmel, und wenn er dann endlich seinen Brief eingeworfen hat, sagt der englische Darsteller als wär nichts gewesen: „On to the next one“. Im Deutschen dann, gedubbt und wie immer nur halb so stark: „Auf zum Nächsten“! Weil ich ihn produziert habe, nicht weil er so wahnsinnig merkenswert gewesen wäre.

In Wahrheit war das natürlich nichts als eine mühselig kaschierte Metapher auf das Werbefilmschaffen an sich. Man kann sich da wochenlang reinfräsen, man bläst in ein paar Tagen ein paar hunderttausend Euro in die Luft für 60 Sekunden fertigen Film, man kann leiden wie ein Hund, aber auch Spaß haben wie Gott in Frankreich (außer wenn man in Frankreich produziert). Aber das Schöne und das Schreckliche zugleich ist: All das ist doch sehr endlich. 

Wer diese Flüchtigkeit, das Serientäterhafte daran nicht mag, der sollte sich was anderes suchen. Noch alle Musikvideodirektoren die ich getroffen habe, waren heimliche Spielfilmregisseure. Das hat ihre Musikvideos nicht unbedingt immer besser gemacht. „Oh shit, der Künstler muß ja auch noch drin vorkommen, na, kriegt er halt eine Nebenrolle in seinem eigenen Musikvideo, das ja eigentlich mein Kurzfilmprojekt ist.“ 

Mir persönlich kommt das ja sehr entgegen. Das ist ein wenig wie Sylvester: um Mitternacht gehen alle raus, böllern ein bißchen und lassen bunte Raketen steigen, das macht dann kurz Spaß, aber dann reichts auch schnell wieder. Natürlich können wir beim Werbefilm nicht ein Jahr Pause zwischen zwei Projekten machen, aber der Vergleich ist trotzdem nicht so weit hergeholt.

Ich hab mal ein ganzes Jahr lang eine Show geprept, die dann 4 Wochen vor Aufführung abgesagt wurde. 13.000 Darsteller durch einen selbstausgedachten Castingprozeß geschleift, hurgh. Viel schlimmer als die Absage fand ich aber, wie lange die Vorbereitung gedauert hat. Wahnsinnig zäh, das Ganze. 

Wie viel Vorbereitungszeit ist denn ein 60sekünder wert? 10 Tage, wenn ich in meinem KVA die Producertage anschauen, die ich da so im Schnitt kalkulieren darf. Reicht meist nicht, real braucht’s ja gern mal das Doppelte, aber irgendwas dazwischen fühlt sich richtig an: zwei-drei Wochen, dann ist der Fisch geschrubbt! Okay, noch etwas Post Pro, aber dann ist auch gut gewesen. Ab auf den Sender damit, und dann: On To The Next One!

No rain, no rainbow

Wetter? Wirklich? Ja: Wetter. Wetter schmeißt gern mal alles durcheinander und legt dann für alle die Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen offen, die sonst immer im Selbstverständlichen und Routinierten so vor sich hinfunktionieren. Dann nämlich, wenn es auf einmal und mit einem sechsstelligen Betrag an Mehrkosten im Nacken um die Frage geht: drehen wir jetzt weiter und versuchen, alles zu schaffen, oder brechen wir ab und es gibt einen Wettertag?

Da müssen wir dann auf einmal seeeehr förmlich werden, denn die Entscheidungen in der Sache können nicht warten, sie müssen getroffen werden, aber bitte auf Basis der richtigen Informationen, in der richtigen Reihenfolge und von den richtigen Leuten. Aber wie genau? 

Für die Info stellen wir sicher, daß wir möglichst schon vorab eine allgemein akzeptierte Autorität in Sachen Wetter etabliert haben – gar nicht so einfach je nach Drehland, zumal dann jede/r im Ernstfall noch die Alternativmeinung auf vier verschiedenen Wetterapps parat hat. Also Erstens: „Wer ist in meinem Drehland die anerkannte Wetterautorität? Was sagt die?“

Zweitens: Was ist unser Alternativszenario? „Wir treffen uns morgen früh wieder und versuchen den Rest zu drehen? Wir brechen für ein paar Tage ab und suchen einen anderen Drehort? Wir machen den Rest im Studio vor Grün?“ Dabei darf man gerne schonmal die Agentur mit einbeziehen. Und wenn das steht, holt man sich Drittens den Kunden dazu und bittet ihn um eine Entscheidung: Abbrechen und Überstunden vermeiden und das Alternativszenario aktivieren, oder weitermachen in der Hoffnung, daß man doch noch alles in den Kasten bekommt? 

Manchmal ist ein Abbruch alternativlos – so wie neulich im Hochsommer, als ich am Set auf freiem Feld stand und im Vordergrund die Gripjungs eine 6 Meter hohe Plattform für einen Topshot aufbauen sah, alles sehr professionell und aus bestem deutschen Aluminium, während im Hintergrund sich eine fette Gewitterfornt näherte. Ich hatte schon so eine sehr konkrete Vision davon wie ein einziger Blitz rund 300 Komparsen samt Team auslöscht… trotzdem habe ich dem Kunden das Gefühl vermittelt bekommen, daß eigentlich ER den Dreh abbricht, nicht Thor, der Donnergott. Und schon gar nicht ich. Nicht mein Job.  

Ein Wettertag ist ja grundsätzlich ein Problem des Kunden, wie wir alle wissen, und wie es allgemein akzeptierte Praxis ist. Das bedeutet aber nicht, daß das auch alle Agenturleute, erst recht nicht alle Kunden wissen, und darum schadet das gar nichts, da auch nochmal casually drauf hinzuweisen vorab, gern auch im PPM: „E-U-E-R Script sieht ja einen Außendreh vor. Wir werden eine möglichst wettersicheren Drehort vorschlagen. Das Wetter aber können wir nicht beeinflussen. Mehraufwand für einen Wettertag versuchen wir so klein wie möglich zu halten, werden ihn aber weiterberechnen müssen.“

Wenn es dabei große Augen auf Kundenseite gibt, sollte man sich den Agenturproducer zur Seite nehmen und ihn darauf hinweisen, daß er in der Sache doch bitteschön noch vor dem Dreh für Einsicht auf Kundenseite sorgen möge, damit die an ihrem Ende auch das Wissen in der Sache auf die entscheidenden Ebenen weitertragen und im Ernstfall schnell & kompetent & mit der nötigen Rückendeckung reagieren können. Nichts schlimmer als ein Kunde am Set, der in der Sache erstmal die MarketingsChefin anrufen muß…

Ich hatte mal einen Kunden, dessen Rechtsabteilung uns nötigen wollte, das Wetterrisiko als Produktion zu übernehmen, woraufhin wir ausschließlich Indoors Filme für ihn produziert haben. Geht halt nicht anders: so ein Wettertag kann dir schnell mal das Doppelte Deines MarkUps auffressen, dieses Risiko ist für eine Produktion im Ernstfall existenzbedrohend. Abgesehen davon ist es allgemein verbreiteter Konsens, daß wir als Produktion das Wetterrisiko ja nicht heraufbeschworen haben: Das kaufen die Kunden quasi mit ein, wenn sie sich für einen Außendreh entscheiden. Muß ihnen nur jemand (auf Agenturseite…) auch so sagen.

Auch könnte der Kunde sich eine Wetterversicherung leisten, die alles versichert, was man sich in Sachen Wetter so vorstellen kann: „Wir zahlen einen Wettertag, wenn an mehr als 5 Stunden am Drehtag der Himmel zu 80% bewölkt ist“. Geht. Machen die. Will nur keiner mehr bezahlen, und inzwischen kostet ja oft schon die Angebotslegung einer Wetterversicherung Geld (Hmm, sollten wir uns als Produktionen im Pitch vielleicht mehr an den Wetterversicherungen orientieren und eine Pitchgebühr verlangen? Hmmmm….).

Ich halte mich da mit Empfehlungen gern sehr zurück: Ich weise Kunden auf die Möglichkeit einer Versicherung hin und sage die Kosten dazu, Schlußaus. Habe aber tatsächlich jahrelang nicht mehr erlebt, daß das passiert – die Kunden nehmen lieber das Risiko eines weiteren Drehtags auf sich, als einer Versicherung vorab 20, 30tausend Euro in den Rachen zu werfen dafür, daß sie gegebenenfalls die Mehrkosten für einen Schlechtwettertag übernimmt. 

Kunden und Agenturen reden sich das gern mal schön aus der Ferne und vorab, wenn’s nicht grade um Margarinewerbung und Heile-Welt-Filme geht und sagen: „Ach so’n bisschen Regen macht uns nichts, das machts vielmehr so toll authentisch“ etc. 

Aber wir sind dann für die lästigen Details zuständig: Findet ihr es auch so toll authentisch,  wenn die Darsteller nasse Haare und blaue Lippen haben? Wenn das Tageslicht komplett wegsuppt und alles nicht nur authentisch, sondern nach Castrop Rauxel im Frühnebel aussieht? Wenn man nicht mehr mit Ton drehen kann, weil’s prasselt? 

Wir drehen halt keinen Dokfllm – wenn’s in einer Werbung regnet, dann ist das nicht bei schlechtem Wetter gedreht, dann hat einer die Regenmaschine dafür angestellt. Wenn das alle gern in Kauf nehmt, let’s do it, ich verteile Regenmäntel, ich bin ja im Service. Aber wie gesagt: dazu gehört es auch, euch die Details vorher einmal vorzuturnen und eine wettersichere Alternative vorzuschlagen.

Ihr Producerhasen wißt ja alle auswendig, wofür Zeile Nummer 7.319 unter „Location“ im Kalkulationsformular vorgesehen ist, die ihr nie mehr ausfüllt. Richtig: Wetterberichte. Weil es mal Wetterberichte vom Deutschen Wetterdienst exklusiv gegen Geld gab. Per Fax. Jetzt gibts -zig Apps, und die sagen meist alle was anderes. Das bedeutet, es hat mal eine eindeutige Autorität in der Wetterfrage gegeben: man hat auf Basis des DWD Berichts entschieden, fertig. Die Entscheidungsstrukturen waren also sehr überschaubar: 

„Drehen wir heute oder sagen wir wegen Schelchtwetters ab?“

„DWD sagt Unwetterwarnung, Sturmböen, Gewitter, Starkregen.“

„Wir sagen ab.“

Heute gibt’s bei 100 Leuten am Set 150 Wetterapps mit 200 unterschiedlich interpretierbaren Daten. Die Entscheidungsstrukturen möchte ich lieber gar nicht illustrieren… „Ich hab auf WINDFINDER aber was anderes gelesen“ etc… Ein klassischer Deadlock. 

Bei einem Dreh in Deutschland habe ich deshalb mal „Unseren Mann Im Tower“ erfunden. Genauer gesagt war ich das gar nicht, zumindest nicht allein. Den hat sich die Agenturproducerin eigentlich selbst eingebrockt. Sie fragte nämlich, ob ich nicht einen heißen Draht zum Flughafen hätte, sie hätte auf dem letzten Projekt über die andere Produktionsfirma immer Infos DIREKT aus dem Flughafen-Tower bekommen. In Wahrheit hab ich nur „Na klar, kein Problem“ gesagt, weil ich nicht schlechter aussehen wollte als die Konkurrenz; als sich dann aber herausstellte, daß eine solche Leitung gar nicht herstellbar war (wahrscheinlich hatte sie die andere Produktion auch einfach frei erfunden…) , konnte ich nicht mehr aussteigen aus dem Spiel. Ich habe mir also auf Basis des DWD Wetterberichts meine Meinung gebildet und dann jeweils verkündet, der Flughafen-Tower hätte dasselbe gesagt. KLASSISCHER Fall von „Autorität etablieren“ (siehe auch oben unter „Erstens“). Damit konnte ich dann alle nervösen, appbasierten Drama-Nachfragen zum DWD Wetterbericht wegwischen und diverse begründete Entscheidungen rechtfertigen. Ist gutgegangen, Thor sei Dank. 

Womit ich nicht dazu aufgerufen haben möchte, daß Ihr ab jetzt mit ausgedachten Geschichten euch Autorität anmaßen sollt, die ihr nicht habt. Es reicht eigentlich, wenn ihr Entscheidungen auf Sachbasis herbeiführt und sie dann auf der etablierten Kommandokette Kunde / Agentur / Produktion dramafrei durchdekliniert, ganz normales Producer-Business eigentlich.

Und immer an die alte Producerweisheit denken: „Hope for the best, prepare for the worst!“

Luftdruckfinetuning

Beim Gespräch über die richtige Kaffeemaschine für’s Produktionsbüro taten sich neulich zwei Fraktionen auf: die eine war mehr so die Fraktion „Ich mag Kaffee“. Die andere Fraktion hatte detaillierte Geschichten zu bieten von diesem einen Kaffeeladen in sagenwirmal San Francisco wo sie immer ein Barometer neben der Maschine stehen haben, um den Mahlgrad des Kaffees auf den Luftdruck in der Atmosphäre anzupassen. Oder war es der Druck in der Kaffee-Maschine? Und heißt es überhaupt noch Kaffee-Maschine? Ihr merkt schon bei welcher Fraktion ich eher zuhause bin.

Und tatsächlich ist das eigentlich ein guter Indikator dafür, ob man zum Producer taugt oder ob man vielleicht über andere Betätigungsfelder, gern natürlich auch in der Kreativindustrie, nachdenken sollte. Ein Producer ist für mich jemand, der einen guten Kaffee zu schätzen weiß; dem es aber gerne mal im Detail egal ist, wie der hergestellt worden ist. Der die Leute kennt, die wissen, wie & wo der hergestellt wird, und der am Ende auch sagen kann, was der Kaffee kostet. Und für wieviel man ihn einem Kunden weiterberechnen könnte und dabei noch einen soliden Schnitt macht.

Aber müssen Producer dafür zutiefst und wirklich selber begeistert sein davon, daß ein sicher interessant gekleideter Barista in San Francisco alle Viertelstunde aufs Hygrometer guckt, und müssen sie sich selbst jetzt auch so ein Ding in die Küche hängen? Müssen sie, mit anderen Worten, sich für jede Detailfrickelei, jedes Optimierungspotenzial, jede kreativ sich gerierende Distinktionsstrategie, für jede Art Kunstwollen interessieren und erwärmen? Nein, sage ich, das müssen sie nicht, die Producer.*

Eine gute Faustformel, sozusagen Ockham’s Razor für das Produktionsgeschäft ist doch vielmehr die Frage: „Lässt sich das in Excel abbilden“? Wenn nein…

So, darauf erstmal einen NesKaffee.

*Achtung, Producer-Nerd-Content: A propos Excel. Genauswenig wie Detailfrickelei für mein Kaffee-Erlebnis entscheidend ist, genau so wenig ist es für einen guten KVA entscheidend, ob es jetzt in Zeile 12.318 auch noch die Möglichkeit gibt, die Anrechenbarkeit von Catering für Inhouse-Mitarbeiter von den Verpflegungspauschalen abzuziehen und gegen die Per Diems zu verrechnen, es sei denn das heimliche Ziel ist „Death By Confusion“. Interessiert in Wahrheit niemanden, und macht niemandes Leben einfacher, gerechter, reicher oder präziser. Können wir uns vielleicht auf einen 3 Jährigen Optimierungs-Stop beim Kalkulationsformular einigen, und uns dann nach drei Jahren mal gegenseitig fragen: „Sollen wir da jetzt dringend was ändern, oder lassen wir’s einfach wie es ist?“ Ich würde eine Menge Geld wetten zumindest auf MEINE Antwort in der Sache.

Create Less Drama

Wer mag sie nicht, die Werbung für den Young Directors‘ Award! Bei der Polizeikontrolle sagt das Mädchen auf dem Rücksitz zum Polizisten: „That’s not my Mommy“ und zeigt ein selbstgemaltes HELP! – Schild. Der Polizist tritt zurück und sagt zur nichtsahnenden Frau am Steuer: „Step out of the car, Madam!“ Das Mädchen grinst in die Kamera. Slate: „Born To Create Drama. Young Directors’ award.”

Leider haben sich das jenseits der Regie auch diverse andere Departments zu sehr zu Herzen genommen – manchmal ist da draußen einfach zu viel Drama.

Hörte neulich jemanden aus der Tech Branche sagen „Und wenn das nicht klappt, dann müssen wir das eskalieren.“Toll. Neue Vokabel für mich, allein schon deswegen toll. Erst recht aber das Konzept dahinter: nichts eskaliert von allein, nichts von dem, was ich tue, trägt absichtlich zu einer Eskalation bei, es sei denn, es geht nicht anders. Dann aber entscheide ich mich bewußt dafür. Oder anders gesagt, mein default ist NON-DRAMA; DRAMA gibt’s erst dann, wenn es wirklich sein muss, und wenn alles andere nicht geholfen hat.

Das ist ja leider bei uns, mich eingeschlossen, nicht immer so. Im Gegenteil, es gibt genug Freunde des filmproduzierenden Gewerbes, die das Drama LIEBEN. Die es anziehen, es befeuern wo es nur geht. Aus Langeweile, aus Unterforderung, aus Überforderung, oder einfach nur weil sie nichts anderes gelernt haben.

Oder gar weil sie sich vor Arbeit drücken wollen. Ich hatte mal einen Herstellungsleiter, der immer & grundsätzlich überdramatisiert hat. „Das stellst du dir so einfach vor, was? Aber in WIRKLICHKEIT IST DAS IRRE AUFWENDIG WEIL erstens, zweitens, drittens“. Und ich hab zu Anfang immer noch gedacht, ich hätte die wahre Tragweite meiner Ideen tatsächlich unterschätzt. Am Ende hatte ich eher den Eindruck, dass er grundsätzlich überdramatisiert hat, zur Abschreckung gewissermaßen, damit er weniger Arbeit mit mir & meinen Einfällen hatte.

Full Disclosure: Habe mich selbst mal ertappt wie ich Drama kreiert und ein Projekt tatsächlich beinahe in die Katastrophe geschubst habe (meine Ausrede: das ist seeeehr lange her…):

Kunde und Agentur haben am Drehort in Südafrika sich so unkooperativ verhalten, dass wir einen zusätzlichen, nicht kalkulierten Drehtag auf der Uhr hatten, für den Kunde und Agentur nicht zahlen wollten. Ich war als Executive nicht vor Ort und hab mir deshalb von der Serviceproduktion eine Einschätzung schreiben lassen dazu, wie es zu diesem weiteren Drehtag gekommen ist. Anstatt jetzt aber vor Ort erstmal für Ruhe zu sorgen und das so pragmatisch wie möglich zu Ende zu bringen, war ich so aufgebracht, daß ich den Bericht der Serviceproduktion gleich einszueins dem Agenturchef weitergeleitet habe; der, auch offenbar ein Freund des Dramas, war genau so pfiffig wie ich und hat sie postwendend seinen Leuten am Set weitergleitet: Und KA-BOOOOM. Das Drama am Set, als die Agentur der Serviceproduktion deren Protokoll der Ereignisse vorgelesen hat, hätte beinahe zu NOCH einem zusätzlichen Drehtag geführt.

Mal ganz abgesehen von der grundsätzlichen, emotionalen Beschaffenheit der meisten Mitspieler, für die man meist wenig kann, gibt es aber tatsächlich auch ein paar Techniken, die man sich mit jahrzehntelanger Übung draufschaffen kann, zum Beispiel:

Verschieben. Das wäre die beste Anti-Drama-Strategie bei meinem Südafrika-Beispiel gewesen. „Let’s cross this bridge when we get there.” Es muß nicht immer alles sofort entschieden werden. Vieles schon, eigentlich das meiste, aber eben einiges auch nicht.

Deflaten. „It’s just adverstisng, honey”. Ist das wirklich so wichtig? Wofür? Für mein Ego? Für meinen ganz speziellen Platz in dieser Produktion? In der Nahrungskette? Im Universum gar?

OPP = Other people’s problem. Vielleicht ist es gar nicht dein Problem? Check das doch nochmal, bevor du so richtig mit Schwung einsteigst.

Who’s in charge here? Drama entsteht oft in einer uns allen nur zu bekannten Umgebung, in der Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten, letztlich Authorität & Entscheidungstrukturen zu undurchsichtig verteilt sind. Weil alles projektbasiert ist. Weil wir alle ja fresh und funky und per DU miteinander sind.

Drama ist in solchen Umgebungen oft eine Art Hilfeschrei um jemanden herbeizurufen, IRGENDWEN, der doch bitte bitte eine Lösung für das Deadlock herbeiführen möge, das dabei zu oft entsteht. Statt des Dramas wären natürlich klare Strukturen und eine für alle offensichtliche und nachvollziehbare chain of command hilfreich – boring, undramatisch, aber wirkungsvoller.

Weitere Anti-Drama-Strategien gern in die Kommentare!

Who’s bad?

“Fabulous”! sagt dein Regisseur. “Loving it!!“ und du fragst dich zum x-ten mal: „Ai Carramba, diese Americanos, meinen die das auch so? Und wo bleiben eigentlich die Nuancen?“

Oder wie es im Wikipedia-Eintrag zu Michael Jackson’s BAD heißt: „Das Wort bad (engl. böse, schlecht, verdorben) kann in der Jugendsprache auch als „cool“ angesehen werden.“ Ja, da kenn sich einer aus!

“Sorry I have to admit I quite don’t hate it“ sagt der Britische Kreative und du fragst Dich: Ja watten nu, haßt du es oder nicht? Möchtest du es eigentlich hassen, aber ärgerst Dich sehr, daß es dir doch ein bißchen gefällt? Oder ärgerst dich ein bißchen, aber es gefällt dir sehr? Oder willst du nur sphinxhaft british erscheinen und dich auf nichts festlegen? Ihr macht mich noch alle ganz carroussel in meinem simplen Producerkopf, ihr Subtilitätsfanatiker!

Nach einer Kundenabnahme hat mich der Londoner Agenturproducer mal zur Seite genommen, mir den Arm um die Schulter gelegt, auf seine Schuhspitzen gestarrt und leise gemurmelt: „Stephan, you can not confront people like that!“ Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich die Frage der Kundin, ob man das Master auch drei Tage früher als vereinbart ausliefern könne, mit „Nein, das geht leider nicht.“ beantwortet. Textbook Culture Clash!

How auch ever, um mal Herrn Lindenberg zu zitieren, damit Ihr Producerhasen da draußen nicht ständig Bahnhof versteht, hab ich Euch hier mal mein „How To Deal With Your English Speaking Creative‘s Feedback“ zusammengestellt – nichts davon ist auf meinem Mist gewachsen, aber erstaunlicherweise stimmt es trotzdem haargenau so.

Wir fangen mal an mit unseren Freunden jenseits des großen Teichs, die ja aus deutscher Sicht eine leicht andere Deformation in der Beziehung zwischen Gemeintem und Gesagtem aufweisen als die jüngst gebrexiteten Filmschaffenden. Here we go!

Diese drei Spalten zeigen Euch, wie man 1) American Creative Feedback in 2) Plain English übersetzt, und was 3) das ungeübte deutsche Producerohr gerne fälschlicherweise da raushört.

How To Misunderstand your American Creative’s Feedback (according to Producer Pauly)

AMERICAN CREATIVEPLAIN ENGLISHDEUTSCHES PRODUCERGEHIRN
AwesomeGoodSie sind begeistert!
FabulousGoodSie sind begeistert!
AmazingGoodWow, sie haben noch mehr Vokabeln für begeistert!
GreatFineSie sind begeistert!
OKBadNicht schlecht
Not sooo greatVery BadSchon besseres gesehen, aber okay
ChallengingVery Very BadSie fühlen sich gefordert

Okay, you catch my drift, don’t you?

Na, schon ganz vielversprechend, aber jetzt legen wir noch einen Zahn zu. Weiter geht’s mit den Königen der Konversation, unseren Freunden von der Insel!

How To Misunderstand your British Creative’s Feedback (according to Producer Pauly)

BRITISH CREATIVE           PLAIN ENGLISHDEUTSCHES PRODUCERGEHIRN
I hear you!I disagree and I don’t want to talk about it anymore.Sie akzeptieren meine Sichtweise.
With the greatest respect:I think you are an idiot.Sie respektieren mich!
That’s not bad.That’s good.Mist, so grade eben nicht ganz schlecht
That is a very brave proposal!You must be insane.Sie bewundern meinen Mut.
Quite GoodA bit disappointingGanz schön  gut
I’d suggest…Do it.  Ist ja nur ein Vorschlag.
Oh, by the way,                     The primary point of this conversation is…Nur mal so dahergesagt…
I was a bit disappointed                    I’m deeply annoyedSie sind enttäuscht, aber nur ein bisschen

Very interesting                    
That’s clearly nonsense.Sie finden es interessant!       

I’ll bear that in mind!            
already forgottenThey will probably do it
I’m sure it’s my faultIt’s your fault.            Sie sind schuld, nicht ich, pheew.
I almost agree.I disagree completely.           Sie stimmen zu 99% zu.
I only have a few minor commentsRewrite that completely        .Sie haben zwei, drei Rechtschreibfehler gefunden

So, und hier nochmal die Zusammenfassung:

Well, that wasn’t too bad after all, or was it?