Kunsthandwerker

Im letzten Post haben wir uns mit den freien Künsten beschäftigt, die uns so verdächtig oft personifziert als WerbefilmheldInnen begegnen, und wir sind der Frage nachgegangen, warum eigentlich & wie die sich zu denjenigen verhalten, die sie sich ausdenken, den Agenturkreativen. Fazit: In etwa so wie Michelangelos Selbstbild („Dieser Kitsch-Papst mit seinem ver***en Goldfetisch! Für den bemale ich keine einzige Decke mehr!“) zu seinem Nachbild in den Augen chinesischer Vatikantouristinnen („Great Artist!“): Sehr großer Sicherheitsabstand.

Aber warum immer nur von anderen sprechen, wie nah sind denn wir ProducerInnen so dran an den Freien Künsten? Da fragen wir doch mal nicht Agenturmenschen („Wieso Kunst? Das sind doch die mit Excel“) oder Producer selbst („Ich hab ja grade den aktuellen Mercedes Film gemacht“), sondern lieber mal jemanden, der da von ganz weit weg bewundernswert detailliert draufgeguckt hat: Der Dritte Senat des Finanzgerichts Köln. Der hatte anno domini 2018 zu klären, ob eine Freelance Werbefilm-Producerin wie du & ich qua ihres Schaffens denn einer freiberuflichen Tätigkeit nachgegangen ist oder eben einer gewerblichen. Wo der gerichtsrelevante Unterschied ist? Freiberufler zahlen keine Gewerbesteuer, und das hatte die Producerin jahrelang auch nicht getan; der Prüfer vom Finanzamt hatte das – komisch! – ganz anders gesehen und ihr nachträglich Gewerbesteuer berechnet. Dagegen hatte sie dann geklagt.

BOOOORING, höre ich Euch murren, aber ich finde, das ganze Urteil ist wirklich ein echtes Schmankerl, lest es Euch mal durch, ich hab’s schon mehrfach getan. Und fragt Euch dabei:

Habt ihr jemals eine objektivere, sorgfältigere, detailreichere und deshalb am Ende bessere Beschreibung unseres Berufsalltags gelesen? (Spoiler 01: Ich noch nicht) Und: Glaubt die Klägerin wirklich, daß ihr Tun unter die Freien Künste fällt, oder hat sie ihre Jobbeschreibung nur deshalb in diese Richtung gepimpt, um der nachträglichen Gewerbesteuerzahlung zu entkommen? (Spoiler 02: Ich bin mir auch nach der dritten Lektüre noch nicht sicher.) Ah, und Spoiler 03: Ich kenne weder den Namen der Dame, noch kenne ich irgendwen, der sie kennt. Noch nichtmal vom Hörensagen.

Für alle, die sich jetzt nur noch mit Mühe wachhalten konnten, sei es schonmal vorweggenommen: NOPE. Keine Freiberuflichkeit bei Freelance Producern. Weil: „(Sie…) könnten nur dann freiberuflich tätig sein, wenn sie unter Anlegung eines strengen Maßstabs bei eigenschöpferischer Begabung eigene Ideen schöpferisch gestalteten. Die Klägerin sei aufgrund des umfassenden Tätigkeitsbildes (Planung, Beaufsichtigung, Budgetüberwachung) nicht auf diese Art tätig geworden. (…) Ebenso liege eine künstlerische Tätigkeit nicht vor.“

Der Einspruch wurde sehr detailliert abgebügelt: „(Die Producerin; SP.) …sei zwar eigenverantwortlich tätig, müsse sich aber jeweils eng absprechen, was einer künstlerischen Tätigkeit entgegenstehe. Den als Beispiel aufgeführten Werbespot für W habe nicht die Klägerin, sondern die Werbeagentur H kreiert. (…) Die schöpferische Leistung sei von den Darstellern und dem Regisseur erbracht worden, (…), nicht aber durch die Klägerin.“

Tja. Was soll ich sagen, stimmt wohl.

Keine Ahnung, ob das Urteil rechtsverbindlich geblieben ist und ihr Freiberufler-Hasen jetzt alle Einzelkaufleute oder Unternehmensgründer werden müßt. Ich meinerseits bin bis 2008 als Freiberufler durch alle Buchhaltungen und Steuerprüfungen geflutscht, bevor ich eine Firma gegründet habe. Aber das ist hier ja auch kein Steuerberatungsblog. Viel interessanter finde ich die angenehm nüchterne und glam-ignorierende Perspektive dieser einhundertsiebenseitigen Analyse mit dem knappen Fazit: Wir betreiben ein GEWERBE, Punkt.

Ein Bisserl kunstsinnige Anerkennung spendet uns das Gericht gegen Ende der Urteilsbegründung dann doch:

„Der Senat verkennt nicht, dass einzelne Elemente der Gesamttätigkeit der Klägerin nach den vorstehenden Grundsätzen als künstlerische Tätigkeit zu werten sein können. (…) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin zum Gelingen des jeweiligen Werbefilmprojekts einen wesentlichen und wichtigen Beitrag leistet.“

Bei den Bundesjugendspielen würde man das als Trostpreis bezeichnen, würde ich sagen, aber trotzdem – ich glaub ich muss es gleich nochmal lesen. Hier steht’s in seiner vollen, 107seitigen Pracht.

2 Kommentare zu „Kunsthandwerker

    1. Jep, das hab ich auch schonmal gehört. Slick move! Aber ob das Finanzamt verläßlich der KSK – Entscheidung folgt, da wäre ich mir nicht so sicher. Würde mich aber tatsächlich interessieren!

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