Arbeitsteilig

Einen Location Scout hatte ich mal mit dem shooting board zum scouten geschickt, und der hat aus reinem Spaß an der Freud schonmal den gesamten Film vorgedreht auf den Locations, die er vorgeschlagen hat. Er war dann ganz geknickt, als wir stattdessen in der Studiostraße in Babelsberg drehen mußten, weil für ihn der Film eigentlich schon fertig war. Kennt ihr bestimmt auch, solche Leute: Filmemacher durch und durch, die eigentlich nur aus Zufall in ihrem Department gelandet sind, die es aber in sich tragen, ganze Filme in ihrem Kopf und manchmal auch in echt schwuppdiwupp einfach fertigzumachen.

An diesen Scout mußte ich denken, als mir neulich dieser Film von JON FINGER begegnet ist.

Wer sich das anschaut und nicht denkt: „Wow! Will ich auch!“, der ist auf jeden Fall nicht aus derselben Abteilung wie mein Scout damals. Mir macht das wahnsinnig Spaß, diese (natürlich gefakte…) Unmittelbarkeit, diese Idee, man könne mit Hilfe von AI Tools einen Film erschaffen so, wie man früher seinen Freunden auf dem Schulhof eine Geschichte vorgeturnt hat. Was ergäbe das, konsequent weitergedacht, für einen Spitzenworkflow! Erst recht dann, wenn man unseren realen Workflow dagegenhält, der ja wirklich gern mal das Gegenteil davon ist: Überkompliziert, langsam, und seeehr seeehr arbeitsteilig.

Wie arbeitsteilig wollen wir denn sein, muß man sich doch regelmäßig fragen. Na klar ist der Input von den Profis aus den einzelnen Departments super. In den Kommentaren unter Jon’s Film stapeln sich deshalb auch die erwartbaren Reaktionen im Sinne von „Nichts wird je einen guten Storyboarder/ Art Director / DOP ersetzen, etc., gnagnagna“. Aber mal ehrlich, kennt ihr nicht auch dieses Gefühl der Ermüdung, das einen anpackt, wenn man denkt: „Woo-ha, 4 Tage 14 Stunden drehen, 70 People am Set, 2 Monate Post, und das alles für 60 Sekunden Film?“

Bei den Regisseur*innen kennt ihr sicher auch die beiden Enden des Arbeitsteiligkeits-Spektrums: Die eine, die immer vor dem Monitor sitzt und sagt: „Schon ganz geil, aber können wir noch eine drehen“? Wo man sich unwillkürlich fragt ob sich heimlich die Agentur-Kreative in den Regiestuhl geschmuggelt hat? Und am anderen Ende der Skala der Roberto Rodriguez Style Regisseur, der unabgesprochen mit einer eigenen Mühle am Set auftaucht und schnell selbst mal noch ein paar alternative Takes dreht, kann man ja immer gebrauchen, ihr werdet mir dankbar sein im Schnitt! Der einen im Prep schon so sehr mit Detailgesprächen zuballert, daß man ihm am liebsten alle Jobs auf der Produktion anbieten möchte inklusive dem der Produktionsleitung?

Anyways, ich möchte gar nicht auf „Wir werden alle unseren Job verlieren“ Szenarien rumreiten. Auch das pixelschubserische Qualitätsgejammer anläßlich von Jon’s Film – „Ja, aber das wird dir kein Kunde jemals so abnehmen, weil a,b,c“ kann ich mir selber ausdenken, merci bien.

Ich finde es beim Zuschauen in erster Linie inspirierend & herzerfrischend, welche Möglichkeiten sich hier aufzeigen für einen alternativen, schnelleren, spontaneren Workflow – direkt aus dem Kopf von jemandem, der sich einen Film ausdenkt, schwuppdiwupp zum fertigen Film.

Oder?

Do Producers dream of AI enabled films?

Consumer können mehr und mehr selbst zu Producern werden, wie ich’s neulich schon bebloggt hatte. Sie müssen dafür nicht gleich ganze Filme from scratch produzieren, sie können sich zukünftig auch anhand bestehender Filme aussuchen, wie, auf welchem Level und in welchem Department sie gern in einem Film eingreifen und ihn auf diese Weise neu oder mitproduzieren wollen. Sie können sich gewissermassen so Film School mässig von der Seite des fertigen Films her an das Produzieren heranrobben.

Ich zum Beispiel verabscheue ja den seifigen und einschläfernden Vangelis-Soundtrack zu BLADE RUNNER. Das Netz ist voll von sehr emotional geführten Debatten dazu – mir versaut er tatsächlich den kompletten Film.

Die Producer’s Notes, die Ridley Scott nach seiner 3. Schnittfassung zu lesen bekam, fragten unter anderem nach „more tits“, und schon im ersten Satz: „Where is the Vangelis Music“? Die haben sie leider am Ende bekommen. Wenn ich jetzt aber in naher Zukunft Ridley Scott rächen und den Soundtrack einfach austauschen könnte: „Hey AI, unterlege mir bitte BLADE RUNNER mit einem Soundtrack im Stil der Talking Heads“? 

Zunächst hab ich ja gedacht, daß uns demnächst AI mit Reglern beim Produzieren hilft, also etwa Midjourney mit speziellen Reglern, an denen ich Brennweite, Einstellungsgröße und soweiter finetunen kann. Aber vielleicht ist es genau so spannend, wenn es analog zum Sound und Farb – Reglern an der Glotze ein paar zusätzliche AI Regler gäbe wie den „Wes-Anderson-Style-Regler“; den „Hauptdarsteller“- Regler; den „Synchronsprache“-Regler?

Das passiert ja eh bereits massenhaft, die Travestie bestehender Filme ist ein riesiges Sub-Genre des generativen AI Outputs. DUNE im Stil von Jodorovsky (der tatsächlich mal einen Anlauf dazu unternommen hatte). ALIEN im Stil von Stanley Kubrick. Und JEDER DENKBARE FILMTITEL im Stil von Wes Anderson, natürlich. Das ist beileibe nicht ohne Vorbilder aus der Vor-AI-Zeit: Der Kern des Erfolgs von NETFLIX beruht auf NETFLIX‘ Fähigkeit, Travestien und Genre-Remixes nach Uservorlieben herzustellen: „Die User gucken am liebsten Politthriller und Kevin Spacey? Dann produzieren wir ihnen einen Politthriller mit Kevin Spacey!“ Aber AI ist jetzt auf dem Weg, mehr und mehr dieser eigentlich originären Producer-Tools an die Consumer selbst auszulagern. 

Schauen wir uns das auf Basis bereits existierender Filme an. Was daran macht AI auf einmal „anfassbar“ für uns Consumer? Nehmt mir für einen Moment bitte einfach ohne weitere Link-Belege ab, daß das alles bereits erkennbar möglich ist mit AI Consumer Tools, und daß da nur noch jemand rasch ein Frontend mit ein paar Reglern entwickeln müßte bitte, an dem man all diese Faktoren gleichzeitig tweaken kann, und die AI spuckt ruckzuck nach zwei Stunden Rechenzeit einen neuen Film aus:

_Darstellerauswahl: Niemand braucht mehr MoCap, das geht auf Basis von bestehendem Video Material. Also Hauptrollen austauschen. Nebenrollen austauschen. Alle Darsteller sollen Männer sein. Frauen. Frösche.

_Musik: Easy. Ging ja schon vorher, aber jetzt trennt einem die AI auf Wunsch die einzelnen Instrumental-Spuren; das Voice Over von der Musik und den Sound FX. Also anderer Komponist; nur Instrumentals; Orchesterversion statt Surfgitarre… Das kommt als erster AI Regler sobald die Rechtefragen geklärt sind, Wetten werden noch angenommen.

_Sprache & Sprecher. Gedubbt haben die Produzenten schon früher, aber jetzt können wir’s selbst. Und die AI trennt nicht nur die Spuren dafür, sie generiert nicht nur neue Stimmen, sie passt auch die Mimik & Mundbewegungen der Darsteller an die gesprochen Sprache an. Also Saturday Night Fever mit meiner Stimme für John Travolta, und alle anderen Stimmen von Olivia Newton John.

_Art Department: Eigentlich einfacher als MoCap. Also alle Möbel sollen bitte Art Deco sein. Philipp Starck Design. Giger.

_Styling: Alle tragen Kaftane. Oder nichts. Taucheranzüge. 20er Jahre Klamotte. 

_Location: alle Strassenszenen & Häuser Exteriors Hong Kong statt Detroit. Der Wald wie in Neuseeland. Dänemark. Ägypten.

_Framing: AutoFill machts möglich, ich habe schon völlig sinnbefreite erste AI Versionen von BladeRunner im Hochformat gesehen, aber hier geht’s ja nicht um meinen eigenen Geschmack, also bitte 9:16 für alle die das interessiert, was ich lange Zeit nicht glauben konnte, scheint aber so’n heißes Ding zu sein mit dem senkrecht gucken.

_VFX: Mehr so STUDIO GHIBLI, weniger so AVENGERS… 

_Und natürlich alle Kombinationen aus den obigen Beispielen und diverse andere Details, die Leuten wichtig sind. 

Ein Beispiel gefällig? Bittesehr, hier kommen die

AI Producer’s notes von Stephan Pauly zu Ridley Scott‘s BLADE RUNNER 

Schon ganz gut, aber ich hätte da gern noch folgende Änderungen:

Hauptrolle: vielleicht mal mit Christopher Walken aus ca. 1985 besetzen (weil Harrison Ford einfach nicht gleichzeitig Indiana Jones, Han Solo und Deckard sein kann); Bösewicht: Clark Gable statt Rutger Hauer (weil Rutger Hauer eh super ist, aber ich hab schon lange keinen guten Film mehr mit Clark Gable gesehen. Wie, schon tot? Das ist doch der AI egal!) 

Aspect Ratio: Finger weg, die bleibt natürlich in 2.39:1 Cinemascope, ihr Banausen!

Art Department: alle visuellen JAPAN Referenzen in VIETNAM Referenzen umwandeln (weil der JAPAN Takeover der Welt eindeutig eine 80er Jahre Idee ist, die nie so richtig eingetreten ist, und ich einen VIETNAM – Takeover der Welt interessanter fände) 

Autos, Flugobjekte und Gebäude bitte von LUIGI COLANI designen lassen (schlicht weil’s lustig wär)

Sprache bitte mal in Südafrikanischem Englisch (siehe oben)

Musik bitte wie gesagt von den Talking Heads, gerne im Stil meines Lieblingsalbums „Remain In Light“, aber ohne Vocals.

Im Ernst: All das rauscht doch einem Filmproduzenten täglich durch die Rübe, und nicht „more tits and Vangelis“ – so jedenfalls meine romantische Vorstellung von einem Filmproduzenten, und bald kann er sie es tatsächlich einfach ausprobieren! Der irre Twist ist ab jetzt allerdings, daß das auch für uns Consumer gelten wird. Mal alle technischen und rechtlichen Fragen außen vorgelassen, gibt es einen Markt für solche customizable Filme? Ach, mir doch egal, ich möchte eigentlich nur tagelang mit meinen neuen AI Reglern an BLADE RUNNER rumspielen, aber vielleicht bin ich auch nur ein wenig anders als die anderen kleinen Kinder auf dem Spielplatz.

Welchen Film würdet ihr euch vorknöpfen?

Und an welchen Reglern möchtet ihr gern drehen können?

Tool Tales 02: Das Schweizer Taschenmesser

Als ich vor geraumer Zeit mit Freund M. auf Korsika wandern war, mussten wir für Tage unsere eigene Verpflegung über die Gipfel schleppen – was hätte sich da mehr angeboten als ein ganzer korsischer Schinken? So saßen wir morgens, mittags und abends und säbelten unsere einzige Nahrung von einem immer leichter werdenden Schweinebein herunter, der Freund mit seinem Schweizer Taschenmesser, und ich mit einer Art gigantischer Crocodile-Dundee-Klappmachete. Was nach ein paar Tagen dazu führte, daß Freund M. zu Recht Angst bekam, er würde das Ziel wegen Unterernährung nicht erreichen, weil mein Messer (und ich, natürlich) einfach immer dreimal soviel vom Schinken runtergeschnitten bekam wie er mit seinem mickrigen Schweizermesser. Er hat überlebt, aber er hatte auf die harte Tour eine wichtige Lektion lernen müssen: Schweizer Taschenmesser sind bestimmt eine ganze Menge Sachen, aber sie sind einfach keine guten Messer.

Verwunderlich ist für mich deshalb, daß es das Swiss Army Knife geschafft hat, schlechthin DIE positiv besetzte Metapher zu werden für ein Multi Purpose Tool. Wer immer sie benutzt, unterschlägt damit ja meistens, daß das namensgebende Key Feature zwar mit im Multi Purpose Paket enthalten ist, aber daß es wie alle anderen darin zusammengepferchten Anwendungen weniger taugt als seine Standalone Variante, das Messer.

Wie aber verhält es sich mit unserer Kalkulationssoftware, dem Swiss Army Knife des Producers? Sie ist ja definitiv ein Multi Purpose Tool, weil sie so viele Dinge kann: 

_tausend buchhalterisch wichtige Kostendetails wie KSK, 50A, AGA präzise abbilden. Jetzt auch die Anrechenbarkeit der Catering-Ausgaben für Festangestellte Mitarbeiter:innen, hurrah!

_ein Regie-Treatment kalkulatorisch nachbauen

_einen Gesamtpreis ermitteln

_Überstunden berechnen

_Auslandskosten getrennt von Inlandskosten ausweisen

_eine Preisvorgabe um haargenau 10% überbieten, damit man sich anschließend auf die Preisvorgabe runterhandeln lassen kann

_Eventualitäten wie teurere Flüge abpuffern

_Schlechtwettertagskosten vorab einschätzen

_die Basis eines Angebots bilden

_eine seeeehr vollständige Leistungsbeschreibung ausspucken

_als Kostenüberwachungstool funktionieren

Etc.

Natürlich kann sie auch diverse andere wünschenswerte Sachen nicht: Rechnungen & Mahnungen erstellen z.B., oder Wetterdaten & Wechselkurse abbilden. Zusatzangebote integrieren. Versionenverläufe nachzeichnen.

Welche der vielen Funktionen ist denn nun aber das Crocodile-Dundee-Messer unseres Kalkulationsformulars? Da gibt es bestimmt eine Menge möglicher Antworten, aber hier ist mein shot: Das Messer unseres Kalkulationsformulars ist die Möglichkeit, effizient und präzise eine Regie-Interpretation kostentechnisch abzubilden (…nach den Gepflogenheiten der Producerkunst in der speziellen Ausprägung der jeweiligen Firma vor dem Hintergrund der allgemeinen Auftragslage und der Auftragslage der Firma im Speziellen etc. etc. etc, I know…) 

Wenn man das für sich beantwortet hat, und die Antworten können je nach Nutzerperspektive bestimmt auch anders ausfallen, dann sollte man sich vielleicht als nächstes fragen: 

Ab wann & wodurch wird dieses Key Feature so eingeschränkt und nahezu unbrauchbar wie die mickrige, nicht arretierbare Klinge eines Swiss Army Knifes? Einfach mal so als offene Frage stehen gelassen. Ist ja ein Blog, da geht das.

Natürlich muß ich einräumen, daß Metaphern schnell in die Irre führen, weil sie eben nur Metaphern sind und keine eins-zu-eins Abbildungen der gemeinten Realität. Vielleicht kann ja Software viel mehr Wunderdinge als die Schweizer Taschenmesser-Ingenieure. Vielleicht kann man im Unterschied zur physischen Messerwelt in der deutlich weniger physischen Software-Welt undendlich viele Features hinzuaddieren, ohne daß das namengebende Key Feature dadurch auch nur einen Deut schlechter wird.

Aber.

Tool Tales 01: Software, die Producer produziert

Momentan denke ich viel darüber nach, wie denn eine Software beschaffen sein soll, die Producern beim Produzieren helfen kann. Dabei landet man – ich – schnell dabei, wie man selber angefangen hat, Produktions-Software zu benutzen. 

Der Geschäftsführer, der mich in seine Produktion geholt hat, hatte mir in einem Satz den Unterschied zwischen einem Bidding Producer und einem Line Producer erklärt: „Du mußt für dich entscheiden wer du sein willst: Willst du lieber morgens als erster die Studiotür auf-, und abends als letzter wieder zumachen, oder willst du lieber ein Kalkulationsformular auf- und wieder zumachen?“ Was nicht bedeuten sollte, dass man in dem Laden nicht auf beiden Positionen minimum 16 Stunden am Tag geschackert hätte, aber der Unterschied hat mir trotzdem sehr eingeleuchtet. Ich habe mir im Laufe der Zeit beide Seiten lange & im Detail angeschaut, ohne mich je wirklich für eine entscheiden zu müssen. Aber zunächst habe ich Musikvideos gebiddet was das Zeug hält, und das einfach so und oft eher trotz als mit Unterstützung diverser Mitstreiter, die das entweder selbst schon seit Jahren machten.

„Du willst Producer sein? Du kennst keinen einzigen Beleuchter in Berlin!“ hat sich mal einer bei mir beschwert. Der war eher von der Fraktion „Studiotür“. „Du willst Producer sein? Du weißt noch nichtmal, daß die Beleuchter laden & rückladen, und daß man deswegen die LKW zwei Tage länger als die Drehtage buchen muss?“ Das war mein sog. Herstellungsleiter, den es zutiefst kränkte, dass er a) als studierter Filmproduzent in einer Musikvideobude arbeiten musste, und das auch noch, b) mit Menschen wie mir, die sich anmaßten, zu kalkulieren, ohne dieselbe heilige Ausbildung genossen zu haben. Und der sich deshalb schlicht weigerte, mich beim Kalkulieren zu coachen.

Was aber egal war: Es brauchte nämlich weder Beleuchtertelefonnummern noch LKW-Wissen, um das Bidden zu lernen. Dazu brauchte es nur 1. eine Produktionsfirma, in der viel gebiddet & produziert wurde, 2. Zugang zu den hunderten von Quotes, die auf dem Server rumlagen, und 3. Zugang natürlich zu den entsprechenden, auf dieser Basis entstandenen Werken. In diesen Quotes war genug Weltwissen gespeichert, als daß man Reverse Engeneeren konnte (ich kenne kein deutsches Wort dafür), wie man das entsprechende Musikvideo hergestellt hatte; und nach dem Vergleich von 20 Quotes und 20 Musikvideos konnte man sich selber an ein leeres Formular setzen und ein Script kalkulieren dergestalt, dass es selbst beim schlechtgelaunten Herstellungsleiter durchrutschte, der sämtliche Quotes gegengelesen mußte, bevor sie an die Kunden rausgingen. Quotes ließen sich damit basteln, die dermaßen plausibel waren, dass man sie beim Kunden verkauft bekam. Und, Feuerprobe schlechthin: die dann auch noch in den Händen einer echten Studiotür auf- und wieder zuschließenden Produktionsleiterin ein echtes Musikvideo ergaben.

Man könnte also sagen, dieses Tool – nicht das leere Formular allein natürlich, sondern das in diversen fertigen Quotes gespeicherte Produktionswissen – hatte quasi über Nacht einen Bidding Producer aus mir gemacht, ganz ohne HFF Studium, und ganz ohne Beleuchterkontakte. Good Job, Tool! 

Was ist also nochmal die Frage aller Fragen? 

„Wie gut & selbsterklärend bildet ein Tool die Wirklichkeit ab, die es am Ende erzeugen helfen soll, ohne dabei im Weg zu sein; ohne daß man sich durch Layers und Layers an Politics, an Verwaltung, an verkrustetem Detailquatsch durchkämpfen muß?“ 

Nur dann nämlich bleibt es so zugänglich wie möglich, nur dann ist es in der Lage, neue UserInnen zu empowern, selbst so schnell wie möglich und so gut wie möglich Producer zu werden. Nur dann ist es ein Tool, das Producer produzieren kann.

Ja, vielleicht ist DAS die Frage alles Fragen! Und dann kommen die ganzen anderen.

Tool Tales 03: Weinkrämpfe & Windows 3.1

Anfang der 90er habe ich Softwareschulungen gegeben beim Landesamt Für Datenverarbeitung Und Statistik, unter anderem (neben, Steinzeitmenschen werden sich erinnern, Novell GroupWise und WordPerfect) Word Kurse für Menschen, die noch nie an einem Computer gesessen hatten. Hochqualifizierte Menschen: Finanzbeamte, Buchprüfer, die auf einmal ihre Arbeit – die „Außenprüfung“, die Prüfung der Buchhaltunsgunterlagen bei größeren Firmen im Haus – auf einem Laptop erledigen mußten, der ihren gewohnten Workflow ersetzen sollte. Der ging so, bitte anschnallen: 

Handschriftliche Berichte verfassen – die ins Finanzamt schicken oder Faxen – dort werden sie von Schreibkräften abgetippt – dann ins Amt an den Außenprüfer zur Korrektur zurückgeschickt oder gefaxt – dann vom Außenprüfer korrigiert – wieder zurückgeschickt – dann im Finanzamt finalisiert – Und erst dann werden sie als Bescheid dem Unternehmen zugestellt. 

Da war also einiges drin an Optimierungspotenzial, auch für die armen, in  diesem workflow gefangenen Menschen selbst. Die Leute waren gar nicht doof, lediglich ihr workflow war aus heutiger Perspektive komplett kafkaesk. Was hätte da näher gelegen, als diesen Irrsinn mithilfe von Software & ein bisschen Hardware zu optimieren?

Und dann habe ich in meinen Kursen tatsächlich gestandene, erwachsene Menschen weinen sehen, no kiddin, bei der plötzlichen Realisation, daß sie mit einem komplett neuen workflow konfrontiert wurden, und daß es für sie keinen Schritt zurück geben würde. Und das nicht bei besonders raffinierten selbstgeschriebenen Makros, sondern bei dem Weg vom Einschalten des Rechners bis zum Öffnen eines leeren Worddokuments in Windows 3.1. 

Die Tränen hätten zugegebenermaßen auch meinem besonderen pädagogischen Talent geschuldet sein können, aber ich glaube, daß auch der SCHOCK* eine Rolle spielte, den die erste Konfrontation mit neuer Hardware, neuer Software und entsprechend einem neuen Workflow ausgelöst hat, und das alles gleichzeitig, und dann auch noch überbracht von einem leicht nerdigen Germanistik-Studenten im schlechtsitzenden 2nd Hand Cord-Sakko.

Seitdem weiß ich, wie existenziell die Tools sein können, die wir Leuten an die Hand geben. Ich erinnere mich noch, wie schwer es mir gefallen ist, das Gefühl existenzieller Bedrohtheit nachzuvollziehen, das meine armen Finanzbeamten in den Klauen hielt – „Weinen wegen Word?“ – aber im Rückblick ist mir das schon eine deutliche Warnung vor Cord-Sakkos und davor, Leuten leichtfertig Software zuzumuten, ohne sich das komplette Biotop drumherum genau angeschaut zu haben, zumindest aber eine Mahnung, möglichst viel Sensibilität & Nutzer-Orientierung walten zu lassen.

*Wenn man diesen SCHOCK nachzuvollziehen versucht, muß man sich nur mal die tollen Text-To-Video Musikvideos von FUNCUNCLE anschauen und sich vorstellen, man sei Pianist, und kurz vor dem Live-Auftritt in der ElbPhilharmonie bekäme man eine dieser irren Musikmaschinen hingestellt mit der Ansage: „So, und das ist jetzt dein neues Piano“. Oder man ist gezwungen, sein nächstes Angebot in diesem grausig unübersichtlichen und viel zu detaillierten Südafrikanischen Kalkulations-Fomular zu erstellen. Hab ich mal 1 Jahr lang gemacht, war zäh jewesen.

Wer MACHT einen Werbefilm?

Eine ganz einfache, leicht zu beantwortende Frage, je nachdem, wen man fragt. Der Kreativdirektor, natürlich. Der Produzent? Die Regisseurin selbstverständlich! Aber ich spreche gar nicht von diesen bizarren Credit-Posts auf LinkedIn, Instagram et. al., wo immer mehr Väter des Erfolges zu sehen sind als man kennt, und immer die Hälfte der UmsetzerInnen zu fehlen scheint. Viel interessanter sind da die Verschiebungen, die ich im Prozeß beobachte.

FRÜHER ™, also grob gesprochen noch in den Nuller Jahren, habe ich auch aus den großen Kreativ-Agenturen quasi fertige Filme auf den Tisch bekommen, die wir „nur noch“ drehen mußten: jede Einstellung war gezeichnet und vom Kunden verabschiedet; so weit bereits ausdiskutiert, daß man die Storyboard-Frames als Animatic hintereinander gehängt und mithilfe von MaFo-Tests NOCH endgültiger gegen Kritik und Verbesserungen abgesichert hatte, bevor sie überhaupt an uns Produktionen, an eine Regie rausgegangen sind. Was haben wir gefightet um auch nur EINEN Frame zu addieren, oder gar einen zu verlieren! „Wir drehen die Alternative mal mit, vielleicht können wir sie ja im Schnitt davon überzeugen“, was für ein Kampf, was für ein Krampf!

Das gibt’s ja auch immer noch, und ich bekomme immer einen leichten Anflug von Nostalgie bei solchen Skripten. Dazu gehört aber zugegebenermaßen auch die harte Realität, dass das meist eher die nicht ganz so geilen Filme sind, die so daherkommen. Die Antwort auf meine  Eingangsfrage bei diesem Prozeß ist jedenfalls relativ einfach: den Film hat zu großen Teilen eigentlich schon die Agentur gemacht, und wir durften ihn „nur noch“ umsetzen.

Fast Forward 2023: Ich sehe gefühlt immer häufiger „Filmkonzepte“ aus seriösen Agenturen, die 150 seitige Keynotes sind. Mehr Fragen als Antworten. Kein einziger gescribbelter Frame, Storyboards oder gar Animatics weit & breit nicht in Sicht. Möglicherweise, weil die Agentur bereits alle Energie darauf verwendet hat, die Heilige Asset Liste zu vervollständigen („und dann noch 28x 10Sekunden Cutdowns für Insta; und die Youtube Prerolls nicht vergessen“)? Ist das Faulheit, Zeitmangel, Ratlosigkeit, „Schwächen im Abschluß“, wie das im Fußball heißt? Oder das Prinzip „Death by Zuballern“ – den Kunden mit einer so langen Präse beschießen, daß er nach Seite 100 die Hände hebt und sagt „jajaja, kommt wieder wenn ihr einen Film habt, ich kann nicht mehr“. 

Neiiiin, das ist es natürlich nicht! Ich will lieber an das Gute auch im Kreativen glauben und sage: das ist vielmehr jedes Mal die Chance für eine gute Regisseurin, die selbstverständlich von einer sehr guten Produktion gebackt wird, sich einen wirklich guten Film auszudenken. Denn, zurück zur Ausgangsfrage, wer macht dann den Film? Die, die das können: Regie & Produktion im Rahmen eines von der Agentur freundlicherweise im Vorfeld mit viel Arbeit etablierten Raums von Möglichkeiten.

Da kann, muß also das Machen wieder deutlich auf unsere Seite rüberwandern. Auch wenn uns keiner dafür bezahlt, daß wir uns den kompletten Film inzwischen regelmäßig from scratch selbst ausdenken (dürfen), ist das ja erstmal eine gute Sache, oder nicht?

In comes AI. Wenn das vielgefürchtete Animatic ein Angriff der Kreation auf die Exekution war – „schaut her, der Film ist quasi schon fertig!“, dann kann man mit generativer AI eine entgegengesetzte Bewegung beobachten, eine Art Angriff der Exekution, des Machens, auf die Kreation. „Was, wenn im Hintergrund Supermann durch‘s Bild fliegt und einen rosa Zwerg-Gorilla auf dem Highway absetzt, der mit Bananen um sich wirft?“ FRÜHER ™ konnten Kreative das nur denken & sagen; jetzt können sie das innerhalb von einer Viertelstunde auch schon visualisieren, MACHEN, und direkt den Effekt der bereits umgesetzten Idee ausprobieren. 

Und dann? Wenn das wirklich verkauft ist, braucht es nur noch jemanden, der’s auch nach allen Regeln der Kunst umsetzt, sprich: gut macht. Da hat mir neulich jemand aus einer befreundeten VFX Company etwas zugeworfen im Sinne von: „Goldene Zeiten kommen auf uns zu! Warum? Weil die Agenturen mithilfe der neuen generativen AI Tools den Kunden immer mehr sehr avanciertes, sehr ausgearbeitetes Zeug verkaufen, und anschließend händeringend nach Profis suchen, die das auf einem Profi-Level auch umgesetzt – GEMACHT – bekommen“. 

Yippieh! Oder? Wie auch immer: die Stellen, an denen der Film gemacht wird, und die Sichtweisen darauf – von Producern, von Regisseuren, von Kreativen – sind jedenfalls erneut gehörig in Bewegung geraten, und diese Bewegung wird sich nochmal rasant beschleunigen und verstärken.

Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

Ich hab mich neulich mal beschwert darüber, daß ich ständig Roboter-Bilder sehe, die AI-Beiträge illustrieren und dort die AI verkörpern sollen, und das auch noch auf LinkedIn. Immer eine schlechte Idee, Streit auf LinkedIn anzufangen. Diesen habe ich eindeutig verloren: am Ende wurde ich aufgefordert, halt eine bessere AI-Allegorie vorzulegen – „touché“! Wir wissen immer mehr darüber, was generative AI produzieren kann. Wir haben aber weiterhin keinen blassen Schimmer, wie wir uns generative AI vorstellen sollen, wir haben kein Bild davon, und so greifen wir ständig auf die ältesten Klischees zurück, die man sich denken kann. Soviel übrigens zum Thema „AI reproduziert ja immer nur das, was sie schon kennt, woran sie trainiert ist, da kann ja nix Neues bei rauskommen“: uns Fleshbags („Trollhunters“, 2016) geht’s da ganz genauso.

Etwas, das so menschenähnlich mit uns interagiert wie ChatGPT, das muß doch aussehen wie ein Mensch! Ist ja auch nicht einfach, erst recht nicht, wenn man nur schnell eine einleuchtende Illustration für einen Linkedin Beitrag braucht. Natürlich wollen wir in die bildlichen Repräsentationen immer einen Reminder auf die Maschinenherkunft der AI einbauen. Wie soll da keine humanoide Blechkiste bei rauskommen?

Grob gesprochen sind 95% aller Versuche nur Variationen über die Robots aus „All Is Full Of Love“ (1997), die Chris Cunningham übrigens selbst entworfen hat – sein Musikvideo ist zu Recht in der Ständigen Ausstellung des MoMa gelandet. Die Robots unterscheiden sich ja von Maria, Fritz Langs Roboter aus Metropolis (1927), dem Vorbild für Lucas’ C3PO, nur im Style, sie sind 90ies slick, weiß und gefühlt Japanese statt expressionistisch, aber eben nicht grundsätzlich: humanoide Blechkisten auch sie. Da ist also nicht wirklich viel passiert in hundert Jahren, könnte man sagen.

Zugleich ist das ja geradezu rührend hilflos. Diese ganzen Robots sollen uns trotz allen Alien-Terminator-Transformer-Schauers eine gewisse Sicherheit bescheren dahingehend, daß immer noch ein menschenähnliches Gegenüber mit uns interagiert; ein Gegenüber, wie wir uns uns selbst immer vorstellen, als Individuum, als eine abgeschlossene Entity.

Spätestens da kippt dann das Falsche ins Fahrlässige, weil wir uns auf diese Weise nur vor der Erkenntnis verstecken, daß es da eigentlich nichts zu sehen gibt. AI ist eben kein Individuum, AI ist nicht EINS. Kevin Kelly („The Inevitable“, 2016) knows best, Leute: „Conventional wisdom held that supercomputers would be the first to host (ai), and then soon enough, we’d add consumer models to the heads of our personal robots. (…) However, the first genuine AI will not be birthed in a stand alone supercomputer, but in the superorganism known as the net. (…) The AI on the horizon looks more like Amazon Web Services.”

Achtung, anschnallen bitte für den weit hergeholten Vergleich: Ein paar der monotheistischen Religionen haben es geschafft, die Idee eisenhart durchzuziehen, dass man seinen Gott nicht darstellen, ja, ihn sich nicht einmal VORstellen dürfe. Die Christen haben da zwar „jaja“ gesagt, „du sollst dir kein Bildnis machen“, aber dann haben sie Michelangelo et. al. rangelassen. Das sollten wir in Sachen AI vielleicht vermeiden, ein Gott mit Rauschebart ist eigentlich genau so daneben wie AI als Roboter. Lasst uns stattdessen mal den Mut haben, uns AI nicht zu visualisieren (was ja für uns Werbefilmmenschen eine ganz besonders schwieriges Projekt ist), zumindest nicht mehr als Chris Cunningham Roboter, bitte.*

Die meines Erachtens beste Analogie stammt erneut von, ihr ahnt es, Kevin Kelly: in der industriellen Revolution haben viele Unternehmer ein Vermögen gemacht, indem sie bekannte Produkte elekrifiziert haben: Ein Bügeleisen, aber mit Strom. Ein Rührgerät, JETZT NEU! Mit Strom etc. Den Strom dafür haben sich diese Erfinder-Unternehmer besorgt als vorfabrizierte, unsichtbare, netzbasierte Ressource, jederzeit anzapfbar. Mit unseren aktuellen Tools passiert gerade dasselbe: Photoshop, jetzt mit generativer AI. Und die bleibt, wie zuvor der Strom auch, unsichtbar.

Schaut Euch mal den TED Talk von Imran Choudhri an, der jahrzehntelang Designer bei Apple war. Seine Vision für eine neues Tool, mit dessen Hilfe wir mit AI interagieren können, ist in allem das Gegenteil der Facehugger-Apple Brille. AI wird uns, wenn man Choudhri folgt, garantiert nicht als Roboter entgegentreten; seine Vision ist vielmehr „technology needs to disappear – to re-allow us to be present“. Für mich so viel sympatischer als alle anderen Techonlogie-Ansätze, die ständig etwas Neues basteln, das sie zwischen mich und die Welt schieben wollen (Screens vor oder in meinem Gesicht, Kopfhörer in meinen Ohren, Kabel im Gehirn etc.) Choudhri hat stattdessen ein minimalistisches wearable device entworfen, das uns als Interface dienen soll, um uns AI als eine Art persönlichen, sprechenden Assistenten zur Seite zu stellen. Da gibt es literally nichts zu sehen – weniger Roboter ist kaum denkbar.

*PS: An einigen Reaktionen habe ich bemerkt, daß ich da vielleicht eine falsche Fährte gelegt habe: Ich wollte überhaupt nicht andeuten, AI habe übermenschliches, gar göttliches Potenzial. Noch sind WIR ja diejenigen, die etwas nach unserem Bilde geschaffen haben, nicht umgekehrt. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, daß es eine solide kulturgeschichtliche Leistung ist, nicht immer alles gleich zu anthropomorphisieren, und daß man sich daran auch in Sachen AI halten sollte, auch wenn es einem dann schwerer fällt, LinkedIn Beiträge zu illustrieren.

Der „Einmal volltanken, bitte!“ – Effekt*

Mein VW fasst 65 Liter Superbenzin. Jetzt möchte ich natürlich auch gern mitmachen beim Klima retten. Weniger oder gar kein Auto fahren? E-Auto fahren? Immer nur einen halben Tank verbrauchen im Monat statt eines ganzen? Oder vielleicht doch E-Fuels, die sauber hergestellte Superbenzin Alternative! Denn damit mache ich genau das, was ich vorher auch gemacht habe: Ich tanke alle 3-4 Wochen meine Karre voll, nur eben mit angeblich sauber hergestelltem Sprit. Das Format „Auto“ und mein Umgang damit bleiben komplett unverändert, auch wenn ein neuer Treibstoff daherkommt. Und natürlich erwarte ich, dass es dasselbe kostet wie vorher.

Mal sehn wie weit uns diese holperige Analogie trägt… Ich frage mich halt grade, ob unsere Autos, quatsch, unsere Formate, unsere Arbeitsprozesse, nicht vielleicht mächtiger, zäher und langlebiger sind als die Inhalte und die Methoden, mit denen wir unsere Arbeit machen, und was das alles mit – NATÜRLICH – dem neuen Supertreibstoff AI zu tun hat.

An unseren Mood-Scouts kann man grade den „Einmal volltanken, bitte“-Effekt beobachten: Das Format „Moods suchen“ scheint deutlich robuster zu sein, als sämtliche potenziell ja revolutionären Innovationstendenzen der generativen AIs, die sich in dieses Format einschleichen.

In den Händen dieser Artists richtet generative AI zwar deren Arbeitsweisen neu aus und verändert sie radikal – vom Moodscout zum Prompt Artist – aber ihre Auslastung ist dabei nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Das macht jetzt nicht auf einmal die Inhouse Praktikantin „weil das ja mit AI jetzt so einfach geht“. Und weniger wird die Arbeit auch nicht: die Regisseurin, der sie zuarbeiten, ist nicht auf einmal nach 10 AI-generierten Bildern und zwei Arbeitsstunden seitens Moodscout-Gone-Prompt Artist schon happy und sagt: „Ach, wie geil sind denn diese Midjourney Bilder, viel geiler als die immergleichen aus dem Netz zusammengeklaubten Moodbilder, ich habe eigentlich alles was ich brauche.“ Und die Mood Scouts selbst werden alles dafür tun, das nicht aus der Hand zu geben. Sie sind natürlich dabei, sich AI als weiteres Tool anzueignen, damit sie weiterhin möglichst viel ihrer Arbeitskraft auf dem Markt verkauft bekommen.

Zu erwarten, dass sich Effizienzgewinne in weniger Leistung oder weniger Arbeit niederschlagen ist also wahrscheinlich blanker Unsinn. Die Arbeit wird nicht weniger.

„Die 4-Stunden-Woche“ von Timothy Ferris etwa, ein großer Beschiß, wie die meisten dieser „Mehr Zeit, Mehr Geld, Mehr Leben“ Besteller, das ist im vollen Ernst der Bestseller-Untertitel! Natürlich hat Ferris selber nie vier Stunden die Woche gearbeitet mit seinem irren Output an Podcasts, Büchern, Nahrungsmittelergänzungen etc. Vier Stunden die Woche für dieses Buch vielleicht, aber in Summe bestimmt 120 Stunden die Woche… John Maynard Keynes‘ Prognose aus 1930, daß aufgrund der großen Effizienzgewinne neuer Techniken in 2030 jeder nur noch 15 Stunden die Woche arbeiten werde – komplett naiv, da lag der Jahrhundert-Ökonom genau so sehr daneben, wie der Lebenshilfe-Autor. Ja, es arbeiten alle mit viel mehr & besserem Output, aber eben immer mindestens noch genau so viel, und wenn sie weniger arbeiten sollten, dann nicht wegen der Effizienzgewinne neuer Techniken. Sondern weil man sich das mühselig erstritten hat mithilfe von so unsexy Erfindungen wie Gewerkschaften und so.

Was die Frage aufwirft, bei wem eigentlich die Effizienz- und Qualitätssprünge ankommen, die generative AI ermöglicht. Denn es ist ja etwas qualitativ anderes, was die AI ermöglicht, das ist schon deutlich näher dran an bisher sehr mit viel mehr Aufwand und möglichst nicht schon im Pitchprozess hergestellten Style Frames, für die spezielle Artists noch vor nicht allzulanger Zeit 600-800 Euro am Tag bekommen haben. Nicht für 50 Bilder, sondern für ein bis zwei. „Ah, super daß wir jetzt wegen AI x-fach so präzise und x-fach so viel Zeug als Moods bekommen, aber bitte zu denselben Konditionen wie vorher eine Mood-Recherche natürlich!“ Jedenfalls landen sie nicht bei den Moodscouts. Nicht bei den Produktionen, die immer noch den Moodscouts dieselbe Anzahl an Tagen bezahlen. Hmmm, ja wo denn dann? Wie hat grade Charlie Warzel im ATLANTIC geschrieben: „In a world where the cost of producing content (…) approaches zero, it stands to reason that the forces of capitalism would respond by demanding as much of it as possible.“ Exakt. Und wir liefern natürlich, because that’s what we do.

Anders gesagt: Die neuen Techniken reduzieren nicht die Arbeit, nur die Kosten für Arbeit. Die Arbeit wird nicht weniger, der OUTPUT wird mehr & besser. Der Tank wird immer noch vollgemacht, weil eben so viel reinpasst, jetzt mit dem besseren Benzin. Vielleicht müssten wir den Blick von Effizienzsprüngen auf Qualitätssprünge richten: zu denselben Konditionen gibt es jetzt genauere, bessere, hochwertigere Moods. Wenn das für alle anderen Regisseure, Producer, VFX Artists etc. auch gilt, die sich da aktuell durch AI zu Freuds Prothesengöttern aufrüsten, und wenn wir all diese Verbesserungen an Output und Qualität zum selben alten Preis an die Kunden durchreichen, dann bekommen die zum selben Preis ein deutlich besseres Produkt. Da müßte man vielleicht mal drüber sprechen; zumindest müßte es erstmal einer relevanten Anzahl an Menschen auffallen & die müssten das irritierend & thematisierenswert finden.

Das könnte, positiv bertrachtet, auch ein Hinweis darauf sein, daß gar nicht alle Jobs wegfallen werden wie in den gern bemühten Warn-Horror-Szenarien zu zukünftigen AI-Umkrempelungen, sondern daß sich stattdessen alle mit AI aufrüsten, um mehr und einen besseren Output bieten zu können, aber trotzdem immer noch dieselbe Menge Manpower zu verkaufen. Das Problematische an AI ist also wahrscheinlich nicht in erster Linie die SKYNET Dystopie, oder daß viele Menschen ihre Jobs verlieren werden (auch wenn Goldman Sachs sagt, immerhin keine esoterische Hippie-Bude, daß im nächsten Jahrzehnt jeder 11. oder 300 Millionen Jobs ausgelöscht werden durch AI). Das Problematische ist eher, nochmal Charlie Warzel: „The easier our labor becomes, the more of it we can do, and the more of it we’ll be expected to do.“

Soweit teilen wir Filmhasen also wohl nur die AI-Zukunft mit all den anderen White Collar Arbeitsbienen da draußen. Oder gibt es für uns darüber hinaus noch eine sehr spezifisches Szenario, das wir im Auge behalten sollten? Der „Bitte einmal Volltanken“ Effekt ist in dem Moment unser kleinstes Problem, wenn generative AI so machtvoll wird, daß sie den Anspruch erheben kann, unser komplettes Produkt zu liefern, komplette Filme zu machen. Der Prognosen-Wettbewerb ist da im vollen Gange: „Wir werden die erste AI-generierte Nextflix Produktion in 12-18 Monaten erleben, den ersten AI Hollywood Film bis 2028 etc. etc.“

Bei den Architekten oder den Modeschöpfern ist das anders, da übernimmt AI „nur“ das Entwerfen, gebaut und geschneidert werden muss weiterhin. Text-To-Video AI macht dagegen erste Gehversuche darin, nicht das Konzept oder das Art Department eines Filmes zu ersetzen oder mit neuen Tools auszustatten, sondern den gesamten Film zu generieren.

Vielleicht ist generative AI also gar nicht nur der neue Supertreibstoff, den wir demnächst in unseren Filmproduktionstank packen, vielleicht ist generative AI die neue Filmproduktion. Bleibt spannend.

*P.S.: Wenn ich Wirtschaft studiert hätte, stelle ich grade beim Weiterlesen & -nachdenken fest, hätte ich mir nicht selber so eine maue Analogie ausdenken müssen & sie den „Einmal Volltanken Effekt“ nennen müssen. Ich hätte einfach sagen können: Klarer Fall von Jevons Effekt! Jevons Effekt? England war im 19. Jh das Saudi Arabien der Steinkohle mit der Sorge, was wohl passieren werde, wenn die Steinkohle mal alle ist. Schlaue Ingenieure argumentierten, das sein kein Problem, weil der technische Fortschritt zu effizienteren Maschinen und damit zu weniger Kohleverbrauch führen werde. Der noch schlauere Ökonom Jevon argumentierte dagegen, daß effizientere Maschinen zu MEHR Kohleverbrauch führen würden, weil sie die Kosten des Kohleverbrauchs senken würden. Wenn der Preis sinkt, steigt die Nachfrage, und mit der Nachfrage steigt der Konsum. Von Kohle, wie auch von AI powered White Collar Arbeit. Und genau das wird passieren! Der Preis für unsere Arbeit + AI wird sinken – anders betrachtet, wir werden für unsere per AI supercharged Arbeit dieselbe Kohle bekommen, wie wir sie vorher ohne AI bekommen haben. Und der Preis für Arbeit, die nicht per AI veredelt wird, wird ins Bodenlose fallen. Nicht in der Krankenpflege, und nicht im Straßenbau, aber bei uns.

Sky Captain and The World Of Tomorrow

Anfang der 2000er ging die Saga um bei uns Filmschaffenden, da habe jemand, Kerry Conran war sein Name, vier Jahre lang zuhause an seinem Mac einen kompletten Film vorvisualisiert, den er dann in Hollywood finanziert bekommen habe, von einem Neffen von Dino DeLaurentiis himself. Am Ende hat den Film Paramount rausgebracht, nachdem die Produktion 70 Millionen Dollar verschlungen hatte. Und wir alten Musikvideo-Burschis haben uns damals enttäuscht gefragt „Ja verdammt, wenn er ihn doch schon hatte, seinen Film, warum hat er ihn dann dem doofen Hollywood-System zum Fraß vorgeworfen?“ Hatte er nicht bewiesen, daß er das Potenzial hatte, den gesamten Film als Chimären-Team selber zu machen, er und seine Maschine? Warum hat er sich dann von dem verdammten System schlucken lassen, um bei einem Film mit puuuhhh… Jude Law! in der Hauptrolle gnädig Regie führen zu dürfen, nur damit der dann am Ende als Box Office Flop galt, weil er nur 60 Millionen eingespielt, aber 70 Mio gekostet hatte? Wie zum Teufel konnte das dermaßen schief gehen?

Da war mir zum ersten Mal die Vision begegnet davon, daß ein Mensch einen Film komplett selbst machen könnte, genau so, wie man sich auch hinsetzen und ein Buch schreiben kann alleine. Was davon in den Klauen von Hollywood übrig geblieben ist, war der Ansatz, den Film komplett am Rechner entstehen zu lassen (mit Ausnahme der Darstellerinnen, die in weniger als 30 Tagen abgedreht waren), aber eben nicht auf dem Rechner von Kerry Conran, da hatte sich Hollywood schon drübergestülpt und ihm das aus den Händen genommen. Und der Film war dann am Ende eher so „meeh…“, wobei natürlich zugegebenermaßen niemand weiß, ob er’s alleine besser hinbekommen hätte.

Andererseits, truth be told, war es eben auch so, daß Kerry das Anfang der 2000er tatsächlich auch nicht auf seinem Rechner hätte machen können, dafür war zwar die Hardware schon beinahe da, aber eben die Software noch nicht, auch wenn ein Großteil des workflows revolutionärerweise tatsächlich auf „Quasi-Consumer-Tools“ wie After FX & Final Cut aufgebaut war, und auch die Darsteller hätte er nicht selbst ranschaffen können (Aber Jude Law? Oh Mann.)

Interessanterweise hat sich Kerry nach den „schlechten“ Box Office Zahlen bei seinem Produzenten über die Produktionskosten von angeblich 70 Millionen beschwert: Er hätte das Ding für 3 Mio mit No Names hinbekommen, hat er ihm vorgehalten. Hätte hätte, Fahrradkätte, sag ich da.

Ihr seht: die Geschichte der diversen digitalen DIY-Euphorien läßt sich immer auch als eine Geschichte des Scheiterns erzählen, als Geschichte davon, wie diese Euphorien und die sie ermöglichenden technischen Innovationen von den bestehenden Produktions- und Verwertungsstrukturen aufgesaugt und zum Ausspucken von noch mehr, jetzt eben anders hergestelltem Schrott verwurstet werden. Es führt eine direkte Linie von Kerry Conrans oder Roberto Rodrigos One-Man-Show Rebellentum (Rodrigos Buch heißt „Rebel without a crew“, Lesebefehl! Genau wie Conran hat Rodrigo mit SIN CITY einen der ersten komplett vor Grün gedrehten Filme in Hollywood gemacht) zu den MARVEL Sequels, vom Anspruch, seinen eigenen Film ganz allein mit den aktuellsten digitalen Möglichkeiten umzusetzen hin zu einer im Kern toten 350 Mio Blockbuster-Orgie wie Avengers Endgame.

Worauf ich hinaus will, wollt ihr sicher wissen?

This time will be different (maybe)! Ich glaube fest daran, daß dieselbe Geschichte 25 Jahre später – sehr bald also – einen ganz anderen Twist nehmen könnte. Denn was hat neulich Jensen Huang, der CEO von NVIDIA, gesagt? „Soon, every pixel will be generated.“ Nicht gerendert. Nicht gefilmt. GENERATED. Eine maximal revolutionäre Vorhersage, und ich wage zu addieren: nicht immer und unbedingt bei ILM oder PIXAR, sondern auch auf meinem und auf deinem Mac. Spannend wird das.

https://vimeo.com/821101511

ChimäRegie

Die Geschichte von AI & Schach ist schnell erzählt: Der mechanical turk aus dem 18. Jahrhundert war kein Schachcomputer, sondern ein kleinwüchsiger Mensch unter einem Schachbrett, der einfach sehr gut Schach spielen konnte. Gilt also nicht. Danach hatten wir dann die üblichen zwei AI–Rezeptions-Phasen:

Phase 1 ging bis ca. 1996: „Das wird nie gut genug, kreative Intelligenz ist dem Menschen vorbehalten.“  

Phase 2 begann dann unmittelbar nachdem der erste amtierende Großmeister Gari Kasparow 1996 in einem regulären Turnier von einer Software geschlagen wurde: „Das müssen wir verbieten, weil sonst keiner mehr Schach spielt“.

Soweit, so bekannt. Spannend ist dann erst wieder Phase 3, die Phase der Zentauren: Es wird immer noch sehr viel Schach gespielt, von Menschen gegen Menschen, von Menschen gegen Maschinen, aber zunehmend auch von gemischten Teams. Teams, die so eng miteinander arbeiten, daß man sie Mischwesen oder Chimären nennen kann, oder wie es in der Schachwelt heißt: Zentauren, Chimären aus Mensch und AI.

Jetzt gucken wir mal rasch, wie es grade vorwärtsgeht mit der AI im Filmbereich: Runway Gen 2 ist grade noch im closed beta Stadium, und was da nach draußen sickert, hat jetzt bereits die Qualität von DALL-E von vor 12 Monaten. Aber eben nicht in einem einzelnen Bild, sondern schon in unserer Schlagzahl, heißt in 30 Frames Per Second, also in 2.700 Einzelbildern für einen 90-Sekünder. Genau wie bei DALL-E auch kommen die ersten Sachen oft als Parodien daher, aber das sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Tool selbst kein Parodietool ist, sondern eine ernstzunehmende Konkurrenz für tatsächlich all unser Tun.

Wenn Sie bitte mal kurz schauen wollen? Oder dies hier vielleicht?

Seht mal bitte kurz mit meinen Produceraugen auf die Effizienzpotenziale: Ein Macher berichtet, er habe seinen 90-Sekünder in rd. 30 Stunden Arbeit hergestellt incl. Schnitt, Vertonung, Grade etc. Genauer: er und seine AI, als Chimäre eben, aber nicht als 65-Menschen-Team mit 8 Wochen Prep, 4 Tagen Dreh und 6 Wochen Post in sagenwirmal 3.000 – 5.000 Mann-Stunden. In der Schlagzahl könnte so eine Chimäre innerhalb eines entspannten Jahres einen soliden Spielfilm abliefern. Oder umgekehrt: Die Manpower, die wir Werbevögel aktuell in einen 90sekünder stecken, würde easy für einzwei 90-minütige Blockbuster reichen.

Wenn ich in einem beliebigen Werbefilm-KVA alles rauswerfe, was auch eine AI erledigen könnte, und dabei die kreativen Department Heads & ein wenig Post drinlasse, dann verliere ich je nach Projekt 50-85% der Kosten. Nach allgemein akzeptierter Business-Logik kann es also quasi gar nicht nicht passieren, daß das einen relevanten Teil unseres Businesses übernehmen wird.

Wer da sagt: „Ja aber die Qualität!“, der muß halt nochmal DALL-E von vor 12 Monaten mit Midjourney in der 5. Version vergleichen. Und sich das dann nochmal von vorne anschauen und sich immer noch zu sagen trauen: „Ich sehe da nichts“. Ich für meinen Teil sehe da Einiges.  

Man kann jetzt, wie ein alter Mitstreiter, der mir das obige geschickt hatte, sagen „Stephan, it’s over!“, und ich kann dieses Sentiment so sehr nachvollziehen.

Oder man kann sich fragen, wie denn in mittlerer Zukunft so ein Werbefilmprojekt mithilfe eines Teams aus Regie und AI aussehen könnte, wenn wir von der optimistischen Annahme ausgehen, daß ansonsten erstmal alles gleich bleibt: Es gibt weiterhin Kunden, die 90Sekünder haben wollen, Agenturen, die sich welche ausdenken, Medien, in denen die stattfinden sollen, Produktionsfirmen, die sie produzieren, und Regie-Heldinnen, die sie umsetzen wollen – jetzt aber eben als Mischwesen aus Regie und AI. Ladies and Gentleman, willkommen im Zeitalter der ChimäRegie!

Los geht’s: Die Agentur hat dem Kunden eine Werbefilm-Idee verkauft. 90% der Standardwerbungen werden ja inzwischen entweder beim Kunden inhouse gemacht oder in der Agentur von diversen AI Jockeys, die eine Idee in Runway Gen 16 füttern und aus den 300 Durchläufen dann das Beste zusammenschneiden, vertonen, graden etc. Was natürlich ebenfalls hochgradig AI-gestützt funktioniert wie in ADOBE FIREFLY: Schnittvorschläge von der AI, Musikvorschläge & Soundkatalogauswahl via AI, Grading auf Basis von Textprompts etc..

Aber ab&zu gibt es Ideen, wo alle glauben, daß man mit einer ChimäRegie besser fahren würde, etwa weil die aus echten Darstellern vielleicht noch etwas rausgekitzelt bekommt, auf das die aktuelle Runway Generation noch nicht von alleine stößt. Vielleicht deshalb, weil Runways Outputs noch immer zu sehr an ihrem Trainingsmaterial kleben so wie früher die Autofilme auch sich immer nur mikroskopisch kleine Schritte von dem entfernt haben, was andere Autofilme davor auch schon gemacht haben (Auto auf Küstenstraße; Auto in Großstadt vor Stahl & Glas; Auto an der Ladestation etc.).

Also wird eine der paar verbleibenden Produktionsfirmen den Pitch gewinnen, die eine der wenigen ChimärRegisseure vertreten, die sich eben nicht darauf spezialisiert haben, Dinge umzusetzen, die Runway garantiert NICHT kann (Hochzeitsfilme, Band-Tour-Dokus), sondern die für Werbefilme sich mit einer AI zusammengetan haben und das Potenzial einer Film-AI im Tandem ausreizen, wie das eben weder die Kunden selbst noch die Agentur können.

Pre Production: Wir casten tatsächlich reale DarstellerInnen (ein Big Budget Projekt!). Das Storyboard sparen wir uns, da genügt uns das Text-Script der Agentur, das die ChimäRegie mithilfe ihres Film Know Hows aus alten Tagen in möglichst präzise Textprompts übersetzt. Mit denen füttert sie dann ihre handtrainierte Runway AI. Die hat sie in jahrelanger Trainingsarbeit an sich gewöhnt und auf ihren speziellen Lieblingsstil eingearbeitet, sagenwirmal: „englischer Humor mit einer Prise Selbstironie und einem Schwerpunkt auf High End looks?“. Promptbeherrschung und der exklusive Zugriff auf die jahrelang persönlich trainierte Runway Version sind die beiden Faktoren, mit denen sich unsere ChimäRegie von den Mitberwerberinnen abhebt, ja warum sie überhaupt erst den Pitch gewonnen hat.

Wir scannen die Darsteller, füttern sie in die AI und lassen sieI schonmal loslegen. Statt eines Storyboards haben wir so nach ein paar Tagen eine erste AI-Offline-Version, die unsere ChimäRegie sorgfältig auf Optimierunsgpotenziale abklopft.

Ein paar Takes werden wir vielleicht in den finalen Film übernehmen und nur noch die nochmal real drehen, wo man nach einer Woche Runway noch Verbesserungspotenzial entdeckt hat. Man trifft sich zum PPM, in dem es vor allem darum geht, ob es sich wirklich lohnt, noch real zu drehen; wenn ja, welche Teile und mit welchem Aufwand.

Die Verhandlungslinien sind hier absehbar: Kunde findet alles schon super und weiß eigentlich nicht, warum er jetzt noch das Budget für einen Realdreh locker machen soll. Lieber wäre es ihm, einfach nochmal 2 Wochen AI nachzubuchen, kostet ja fast nix, und der Regie-style ist doch eh schon in der AI eintrainiert.

Agentur & Produktion kämpfen aber hart für ihre Vision eines NOCH BESSEREN Films. Und natürlich kämpfen sie an gegen die ständigen Versuche des Kunden, schon in dieser Phase die MaFo Ergebnisse einzuholen. Man einigt sich darauf, die Close Ups alle einmal real zu drehen; und die eine große Establishing Sequenz, ein verdammt langer One Shot, in der alle DarstellerInnen auf cue was sagen oder tun sollen, die wird man auch nochmal real drehen, weil die AI zwar tolle High End Hintergründe, Kostüme, Lichtsituationen etc. ausgespuckt hat, aber das Timing der menschlichen Beiträge zum Film einfach nicht sitzen will.

Der Kunde grollt derweil im Stillen seiner Agentur, weil sie ihm nicht nur einen Film mit echten Darstellern (die teuren Nutzungsrechte hätten wir uns bei einem reinen AI Film gespart!) und vor allem eine so AI-unkompatibele Intro-Szene aufgeschwatzt hat, aber er sieht schlußendlich ein, daß das wahrscheinlich doch besser geht, wenn man’s real versucht.

Shoot: Wir lassen zwar die Darsteller den ganzen Text sprechen – vielleicht können sie’s ja doch besser als die an ihrer eigenen Stimme trainierten AI-Klone, passiert selten, aber kommt vor; real gedreht werden aber nur ein paar Selected Takes, meistens Close Ups, wo wir mimische Performances von echten Menschen sehen wollen, die die AI noch nicht so gut hinbekommt. Aber unsere ChimäRegie ist trotzdem happy, weil sie endlich mal wieder einen langen One Shot real inszenieren darf. Ein ganzer Drehtag – Yeah!

Post: Die AI hat natürlich weitergemacht und optimiert, während wir gedreht haben; im Schnitt lassen wir dann nochmal die besten AI Shots gegen die besten real gedrehten Takes antreten; vielleicht kombinieren wir beide Welten und legen Teile der Real-Performances über das, was die AI an Szenen schon vorbereitet hat („Hey Runway, nimm das Gesicht von Darsteller A aus dem Realmaterial und ersetze damit sein Gesicht aus dem AI Take“).

Und dann endlich gehen wir in die MaFo.

Ja genau so wird es kommen. Oder was denkt ihr?