Musikvideo-related Facebook Post neulich: „Wer ist Fan von Band xyz und hat Lust als Komparse mitzumachen; ich schmeiß‘ ne Runde Bier“. Das ist völlig okay wenn’s wirklich um Fandom geht auf allen Seiten, Musikvideos sind eben ein toughes business (als business), und ich weiß, dass es bei diesem Projekt um eine Herzensangelegenheit geht. Ich hab aber auch schon oft genug erlebt, dass es am Ende um was ganz anderes geht.
Der Post erinnerte mich an ein zähes Budgetgespräch, das ich mal geführt habe. Das kulminierte in der Frage des Agenturproducers: „Ja, wollt ihr jetzt geilen Scheiß machen oder nicht?“ Das war wahrscheinlich irgendwie motivierend gemeint, hatte bei mir aber den gegenteiligen Effekt: Ich hab spontan gedacht „Ach weißte, wenn das alles ist was ihr zu bieten habt, sag ich mal spontan „Nö.“. Hab ich natürlich nicht gesagt. Wir haben uns stattdessen zum Xten mal plattquatschen lassen, ein Projekt zum halben Preis zu machen – zum Glück ausnahmsweise mit dem Ergebnis einiger Cote D’Azur-Trophäen. Aber trotzdem schüttelt’s mich bei der Erinnerung an diesen Dialog noch diverse Jahre später – warum eigentlich?
Lasst mich ein wenig weiter ausholen: Ich hab mal bei einem Musikmagazin gearbeitet, wenn ich mich recht entsinne als erster bezahlter Mitarbeiter, bei dem die Bezahlung grundsätzlich vor allem aus CDs bestand, die die Redaktion als Rezensionsexemplar geschickt bekam, aus Gästelistenplätzen für Musik Venues, und nicht zuletzt natürlich aus dem kuscheligen Gefühl, mit Gleichgesinnten in einer lustigen Musik-Nerd-Welt zu leben. Das hat Sinn gemacht und war mehr als fair enough für alle Beteiligten: Eine Bezahlung wie beim Tagesspiegel wäre einfach nicht drin gewesen, und das war auch allen Beteiligten klar. Die Existenz dieses Magazins stand und fiel mit dem Geschäftsmodell, und die Vorteile, die die Mitwirkenden damit für sich erzielt haben, waren zwar von außen betrachtet klein, aber es waren Vorteile, die für die Mitmachenden nur in diesem System und nur zu diesen Konditionen überhaupt erreichbar waren. Na klar hätten wir auch alle versuchen können Musikredakteur beim Rolling Stone zu werden, und da zu professionellen Konditionen zu arbeiten, aber das Angebot & die Chancen, es zu bekommen waren halt minimal & man konnte sich eben besser sein eigenes, wenn auch unterbezahltes Biotop schaffen. Soweit, so okay-hey.
Wenn das Geschäftsmodell aber ein anderes ist, als das eines Anzeigenblättchens mit 20tausender Auflage, das auf einem (DEM einen…) Mac in QUARK zusammengeschustert wird, sagenwirmal das Geschäftsmodell eines international aufgehängten Agenturnetzwerks mit zu recht solide bezahlten Kreativdirektoren etc., dann ist die Gleichung einfach eine andere. Wenn man als Akteur in so einem Laden grundsätzlich & regelmäßig versucht, Leistungen bei Dritten unter Marktwert einzukaufen weil man ja „geilen Scheiß machen will“, oder anders gesagt: den immateriellen Wert von Kreativität in handfeste materielle Vorteile, sprich marktunübliche Preise zu verwandeln, und wenn man das nicht ab & zu macht, wenn’s eben tatsächlich nicht anders geht, sondern das grundsätzlich und immer als Attitude vor sich herträgt: „Wir haben zwar (schon wieder) kein marktübliches Budget, aber dafür haben wir hier schon wieder einen Film geschrieben, der soooo cool ist, wenn du DEN auf der Rolle hast… next step Hollywood“, dann ist das auf Dauer irgendwas zwischen Bettlerei und Abzocke.
Ich sag gar nicht, daß das nicht ab&an legitim sein kann. In solchen Setups sind schon tolle Filme entstanden, die komplette Karrieren gekickstartet haben, und ohne das sehr spezielle Setup hätte es weder die Filme noch die Karrieren gegeben. Wenn es die Agentur schafft, dem Kunden klarzumachen, dass er der Kreation und der Regie mehr Freiheiten lassen muss im Austausch gegen unüblich niedrige Budgets, dann stimmt der Deal ja. Aber man muss das im Einzelfall sich anschauen und beobachten, ab welchem Moment das kippt. Für mich war der Moment da, als der Agenturproducer seinen Spruch vom „Geilen Scheiß“ abliess und sich das so anhörte, als habe er das schon hundert Mal gesagt. So, sorry, ich muß los, hab einen Komparseneinsatz für eine Band, die ich wirklich mag. Und Bier mag ich ja auch: Match made in heaven.
Sehr schöner Text. Aber, Moment! Ganz so war es nicht: neben CD’s und Freitickets gab es bei besagtem Magazin als Salär auch noch Pringles, Afri-Cola-Guarana und handgebrühten Kaffee… Hat der Rolling Stone bis heute nicht.
Aber die großen Player schnürten ihre Spendierhosen schon damals eng. Ich erinnere mich, dass MTV für den Berlin Music Award Runner und Einlasser für 2 Tage suchte. Das „Bewerbungsgespräch“ habe ich noch guter in Erinnerung: „What do I get for it?“ – „Get? …. You get… (Kratzen am Kopf, kurzes Räuspern)… the MTV T-Shirt, the MTV-Cap… and … (gewinnendes Lächeln)… you will meet all the stars!“ – Systemfehler: Bombe.
Thanks Man!