Warum eigentlich sind 95% der AI Bewegtbildsachen in meinem Feed noch immer Schrott? Genauer: Bei Stills nähern wir uns Fotorealismus. Bei einzelnen Bewegtbild Shots wird’s schon ganz gut bis gut genug; nur ein ganzer (Werbe-)Film, und wenn nur 60 Sekunden, war bisher nicht in Sicht, und alle Versuche darüber waren inakzeptabel, die CocaCola Weihnachtsfilme sehr explizit eingeschlossen. Aber warum? Ich sage: Weil das zumeist von irgendwelchen Menschen kommt, die mit den Tools rumfummeln, aber nicht von Filmprofis.
Das hat sich grade geändert. Sebastian Strasser hat einen Werbespot für Vodafone gemacht, der genau das will und zum großen Teil auch liefert, was zuvor schon die sagenwirmal 50 Vignettenfilme für Vodafone auch gemacht haben.
Ich weiß, daß ihr jetzt meckern wollt. Ich habe 2 Millionen Beschwerden gelesen darüber wie schlecht der Film sei; die beziehen sich in Wahrheit sämtlich auf das Script. Whatever, sag ich da, ich bin kein Möchtegern-CD; ich bin Producer, ich finde also alle Skripte fantastisch. Agesehen von allem Detailgequengelkann ich als Producer zum ersten Mal Herrn Strassers Fazit teilen: „AI is here“!
Wie aber hat er es bloß geschafft, einen einigermaßen annehmbaren Film herzustellen? Ich möchte das den „TED LASSO – EFFEKT“ nennen: Jemand, der in seinem Metier richtig gut ist, überträgt sein Wissen, seine Methoden, seinen Geschmack, seine Workflows auf ein neues Metier. Wie Ted Lasso, der sich nur mit American Football auskennt, aus einem Haufen englischer Rumpelkicker eine gute Mannschaft macht, so hat Sebastian Strasser aus einem Haufen disparater, AI erzeugter Shots einen Film gemacht. Ted Lasso hat noch nicht die Meisterschaft gewonnen (ich bin noch in Staffel 2, kommt vielleicht noch), aber er ist auf einem vielversprechenden Weg.
Ted Lasso hat keine Ahnung von Fußball, so wenig wie Seb Strasso von AI. Für viele Nerds vielleicht überraschend: Muß er auch nicht. Warum? Weil er seine Heads of Department hat, die sich auskennen, seine Subcoaches, und die Truppe von Fußballern, die wissen, wie man einen Ball kickt. Seb Strasso hat einen Creative Director, einen VFX Supervisor, eine Producerin, einen Editor, einen Grader, und jede Menge AI Artists und VFX Artists zum Reparieren von dem, was die AI versemmelt oder noch nicht hinbekommt. Er muß sich dafür nicht mit AI auskennen, das kann sogar hinderlich sein. Er muß vielmehr eine Vision für den Film haben. Sonst würden alle ohne einen gescheiten Coach im Nebel stochern und einen Ansammlung disparater Shots hintereinanderballern, aber keinen Film entstehen lassen.
Und umgekehrt: Regisseur und Midjourney und Runway werden auch keinen Film auf die Beine stellen; dafür braucht das AI Handling einfach viel zu viel Spezialwissen, was mit Regie Führen zero zu tun hat. Das übersieht man nur gern, weil die Tools so tun, als wenn sie nur ein bisschen Textprompting bräuchten. Ist natürlich Quatsch. Eine Slotmachine macht keinen Film, auch nicht wenn einer am Hebel zieht, der sich stolz Slot Machine Operator nennt.
Sebastian Strasser selbst hat auf dem Ciclope Festival davon berichtet, wie der Film entstanden ist, und das Interessanteste für mich war dabei, wie sehr er „einfach“ wie ein Regisseur da rangegangen ist, und eben nicht wie ein AI Nerd:
Er hat ein Storyboard gemacht; er hat eine riesige Cast Base sich aufgebaut an AI Darstellern (und war begeistert davon, daß er jetzt endlich seine DarstellerInnen zu 100% so bekommt, wie er sie möchte); er hat Räume und Welten und Hintergründe bauen lassen und durchgetauscht; er hat Shots generieren lassen ohne Ende, garantiert viiiiiel zu viele aus Producersicht; er hat seine AI Artists mit Filmbeispielen getriezt („Nein, Nein, der Raum muß viel mehr aussehen wie bei Cassavetes!“) und sich gewundert, daß die gar nicht wussten, wovon er redet; er hat alles in VFX basteln lassen was die AI versemmelt hat; er hat eine Riesentruppe an Spezialisten zusammengetrommelt, er hat nochmal auf Film ausbelichtet weil das irgendwie geiler aussieht (Der Look, das Grain, ihr wißt schon), selbst das persönliche Drama durfte nicht fehlen: Zwischendurch mußte der Director, so berichtet er, ins Krankenhaus gefahren werden, weil er nur noch Rechtecke gesehen habe.
Wie klingt das für Euch? Was soll ich sagen: eigentlich alles wie immer, ob mit oder ohne AI – und mir scheint, daß erst und vor allem dieses „alles wie immer“ dazu geführt hat, daß dieser AI-Film am Ende auch ein Film geworden ist. More to come, nehme ich mal an.
Dank für das Update, Stephan! Shocking, dass diese Technik nun auf dem Markt ist. Ich empfinde das Ergebnis des Vodafone Films in der Gesamtwirkung irritierend. Stellenweise gruslig. Es ist schon traurig, dass viele Zuschauer gar nicht wahrnehmen werden, wie “untot“ einige der KI Figuren wirken. Du hast geschrieben, dass Sebastian zumindest ein Storyboard erstellt hat. Das gibt mir etwas Hoffnung, dass die Branche auch in Zukunft meine Dienste als Storyboarder noch gebrauchen könnte – damit solche Projekte nicht ganz aus dem Ruder laufen. ¯\_( °ʖ°)_/¯?!
Oder geht mein Gewerk hier auch den Bach runter wie das Art Dep., und all die anderen ausführenden Bereiche? Oh boy….
Jetzt segle ich erst mal über den Atlantik und hoffe, dass die Branche sich bis zu meiner Rückkehr ein wenig wiederbelebt hat. Und dass sich bald zeigt, dass dieser KI-Film Weg keine gute Stimmung verbreitet, was dem Kunden ja auch nicht recht sein kann. //Konrad
Hey Konrad, danke für deinen Input! Du hast natürlich recht: das ganze wirkt trotz des wohl enormen Aufwands stellenweise immer noch sehr zombiehaft. Aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denke ich.
Einen Film KANN man auch ohne Storyboarder machen, genau wie man ihn ohne Regisseur machen kann. Die Chancen sinken aber in beiden Fällen dramatisch, daß
das dann auch ein guter Film wird, da bin ich sehr sicher. Dass der Job eines Storyboarders nicht ist, Shots zu malen, sondern ein Script in Shots aufzulösen, das muß ich sicher Dir nicht erklären. Das muß ich hoffentlich auch nicht allzuoft Agenturen, Kunden und Cost Controllern erklären, die denken, das würde die AI jetzt einfach mitmachen. Dasselbe gilt allerdings für diverse andere Gewerke nicht mehr, wenn die AI Umsetzung tatsächlich mal gut genug gworden ist.
Mast- und Schotbruch, komm heile wieder! S.
Hallo Stephan – Seb Strasso hier – mir wurde dein Blog weiter geleitet und ich musste natürlich lachen – da stimmt nicht alles was darin steht – dafür müsste ich dir wirklich zeigen wie’s geht und das ersparen wir uns – ich war grad heute Stunden lang in einem NASA artigen Ai-Meeting mit Ingenieuren – da muss man schon Ahnung von Fußball (oder Raketenforschung) haben um das Team zu coachen – aber grundsätzlich entspricht vieles schon der Realität auf dem Spielfeld und dein Blog ist auch noch erfrischend und spannend in der Perspektive. Viele Menschen haben absolut verständliche Aengste verbunden mit Ai – auch existenzielle – und einem Storyboard Artist wuerde ich dringend empfehlen auf seiner Segeltour sich Gedanken darüber zu machen wie er in Zukunft sein Talent und Know-how nutzt, umschult, weiter führt … denn der Job hat eine ähnliche Zukunft wie Liftboys in den 50’s als die Aufzüge anfingen alleine in den 7 Stock zu fahren oder Kino-Musiker als der Tonfilm aufkam – das ist nicht lustig und ich schreibe das mit Wehmut und Empathie – trotzdem kann ich das auch nur klar artikulieren und aus meiner Sicht die Wahrheit sagen – aber auch da … im Positiven: kann der Kollege auch eine Ai Schulung machen und in einem Team von Ai Promotern kann ein Mittelfeldspieler oder Coach-Assistent mit besonderen Storyboard Kenntnissen (Narrativ, Strukturell, Bild Komposition, Framing) schon eine gute Rolle spielen. Mann muss nur offen genug sein dazu zu lernen, sich anzupassen und bereit sein neue Wege zu gehen. Alles gute auch an dich, Tesso Lassner oder Seb Strasso
Sebastian, danke für das ausführliche, gelassene & interessante Feedback! Freu mich natürlich sehr, daß du offensichtlich über den Eintrag auch lachen kannst. Bin gespannt wie’s weitergeht, bei dir und bei uns allen. Cheers, Stephan